Ein Tag im Leben... einer Direktorin einer Nichtregierungsorganisation

Nachdem ich um 5h30 aufgestanden bin, meditiere ich, bete oder lese in der Bibel um Kraft für den kommenden Tag zu erhalten. Manchmal mache ich dies zusammen mit meinem Mann, aber meistens allein. Danach nehme ich das Frühstück, das von einer Hausangestellten zubereitet wurde ein. Auch dies in der Regel allein, da ich als erste aus dem Haus muss, weil ich den weitesten Weg habe. Mein Mann und unsere 3 Söhne im Alter von 6, 7 und 12 Jahren gehen ihren Tätigkeiten im selben Quartier, in dem wir wohnen, nach und stehen deshalb später auf als ich.

Um pünktlich um 8 Uhr bei meiner Arbeitsstelle zu sein, muss ich um 6h30 das Haus verlassen. Mein Arbeitsweg dauert also 1 1/2 Stunden und unterwegs wechsle ich zwei mal den Bus. Als erstes gehe ich in mein Büro, wo ich meine Tages- beziehungsweise Wochenplanung mache, wenn es sich um den Montag handelt. Ich bin Direktorin einer Nichtregierungsorganisation, also wie wir auf französische sagen, einer ONG - oder auf englisch NGO. Einen halben Tag widme ich den Büroarbeiten und die andere Hälfte ist für Besuche in den 4 weiteren Projekten unserer ONG, für Sitzungen, Interviews, den Austausch mit und die Beziehungen zu anderen Organisationen reserviert. Auch die Betreuung der Praktikanten, die meistens aus Deutschland kommen, gehört zu meinem Aufgabenbereich.

Insgesamt sind wir 21 Personen, die in der unsere ONG tätig ist, die sich um derzeit 300 Strassenkinder im Alter zwischen 4 und 18 Jahren kümmern. Diese 21 setzen sich aus Erziehern, Ausbildern, Köchen, Wächtern, Putzhilfen, einem Arzt (der 3 mal wöchentlich vorbeikommt), einer Assistentin für die administrativen Arbeiten und mir zusammen und verteilen sich auf die 4 Projekte und den Hauptsitz, wo sich auch mein Büro befindet. Gleichzeitig dient dieses Gebäude als Tageszentrum und Anlaufstelle oder Auffanglager. In jedem der 4 Projekte oder Zentren ist eine Person verantwortlich für die Geschäftsführung und kümmert sich um die Details wie Einkauf, Geldverwaltung, Speiseplanung und so weiter. Zu meiner Verantwortung gehört die Koordination und der Kontakt. Deshalb halte ich in jedem Zentrum einmal wöchentlich eine Personalsitzung ab, wo die internen Probleme und Fragen erörtert werden. Und jeden letzten Freitag im Monat gibt es eine Sitzung für das gesamte Personal der ONG.

Je nachdem wie meine auswärtigen Termine sind, verbringe ich entweder hauptsächlich den Vormittag oder den Nachmittag im Büro. Die Büroarbeiten bestehen grösstenteils aus Emails schreiben und beantworten, die Buchhaltung überprüfen, die Rapporte der Praktikanten gegenlesen, eigene Berichte verfassen oder Sitzungen vorbereiten. Ich gehe nie unvorbereitet in Sitzungen, schon vorher mache ich mir Gedanken darüber, welche Fragen auftauchen könnten und überlege mir meine Antworten. Das Mittagessen nehme ich in dem Zentrum ein, wo ich mich zur Essenszeit befinde oder im Hauptsitz.

Mein Tag ist ziemlich ausgefüllt. Um 18 Uhr – oftmals sogar später – verlasse ich das Büro und komme dann gegen 19h30 nach Hause. In der Zeit, die bleibt bis wir um 20 Uhr alle zusammen zu Abend essen, widme ich mich meinen Kindern. Ich unterweise sie in der Bibel. Während wir unsere Mahlzeit zu uns nehmen, schauen wir gleichzeitig Fernsehen, hauptsächlich wegen der Tagesaktualitäten. Danach mache ich eine kurze Meditation mit Tagesrückblick und überlege mir, wie ich den morgigen Tag organisiere. Die restliche Zeit, die noch verbleibt bis ich gegen 22 Uhr schlafen gehe, gehört meinem Mann. Das Wochenende verbringe ich fast ausschliesslich mit der Familie. Ein Teil davon ist für die Durchsicht und Wiederholung des Stoffes, den sie während der Woche durchgenommen haben.

Ich bin 39 Jahre alt und seit 11 Jahren Direktorin unserer ONG. Obwohl meine Tage sehr angefüllt sind, gehe ich mit grosser Motivation zur Arbeit. Ich finde sie sinnvoll für unser Land und ich freue mich, wenn es den Kindern gelingt, ihr Los zu verändern. Dieses Jahr konnten wir 150 Strassenkinder, die bei uns alphabetisiert wurden, in eine öffentliche Schule eingliedern. Ich verstehe unsere Arbeit als Beitrag, gegen die Armut anzukämpfen. Denn eine gute Erziehung, Schulbildung und Ausbildung ist der Schlüssel aus dem Gefängnis der Armut. Sobald die Kinder regelmässig zu uns kommen, dehnen wir die Betreuung auch auf die Eltern aus.

Zum Abschluss möchte ich eine Gegebenheit erzählen, um zu zeigen, dass die Kinder wirklich motiviert sind.

Am Anfang haben wir ihnen nicht erlaubt, den Schulranzen aus dem Zentrum mitzunehmen. Wir befürchteten, da sie ja auf der Strasse leben und übernachten, dass er gestohlen werden könnte, die Bücher nass und schmutzig werden würden und dergleichen. Wir beobachteten dann, dass die Kinder selbst während der Pause den Ranzen umgehängt hatten und vors Haus auf die Strasse gingen, damit die Leute sehen konnten, dass sie die Schule besuchen. Daraufhin haben wir dann die Eltern sensibilisiert, dass sie auf die Sachen aufpassen müssten und wenn Hefte oder Bücher verschwinden würden, hätten sie einen finanziellen Beitrag zu leisten. Das hat mehrheitlich funktioniert und inzwischen dürfen die Schulmappen mit „nach Hause“ genommen werden.


 

Fotostrecke: ein Tag im Leben
 

   

Im Gemeinschaftsraum des Tageszentrums unterrichtet Miarintsoa beim Morgenkaffee zwei junge Erzieherinnen, die auch für die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen zuständig sind.




Dieses Haus ist das Tageszentrum, die Anlaufstelle für die Strassenkinder. In dem Gebäude befindet sich auch das Büro der Direktorin. Die Jugendlichen kommen gerade von einem Ausflug zurück.




Eine Schülerin des Projekts VONY, wo 14 bis 18-jährige Mädchen eine Ausbildung im Weben erhalten. Hier werden die Fäden gestrafft, bevor sie auf dem Webstuhl verwendet werden. Die Jugendlichen erhalten auch Unterricht in Französisch, da die ONG beginnt, im Tourismus tätig zu sein.




Miarintsoa inspiziert die Arbeit einer jungen Weberin und gibt Anregungen. Im Hintergrund beobachtet der Haupt-verantwortliche des Projekts die Szene. Er wird von allen „Dada“ genannt, was Papa heisst.




Die fertigen Werke warten auf den Verkauf. In der Regel sind es Schals aus Wildseide, die in Madagaskar gefertigt wird. Was nach Abzug der Unkosten übrig bleibt, dürfen die Mädels behalten.




Vor dem Gebäude des Projekts FELANA für die Jungen. Miarintsoa im Gespräch mit dem Verantwortlichen, Monsieur Patrick.




In dem Projekt FELANA erhalten die Jugendlichen eine Ausbildung in Schreinerei. Sie fertigen Möbel auf Bestellung an. Es gelten die gleichen Regeln wie im Mädchenprojekt VONY: das Geld, das nach Deckung der Unkosten übrig ist, gehört ihnen. In beiden Projekten wohnen die Auszubildenden im gleichen Haus.




Die Maschinen stammen aus Spenden und haben ein ganz unterschiedliches Alter.




Im gleichen Quartier wie das Tageszentrum liegt auch das neueste Projekt, das noch keinen Namen hat. Drei Jungs im Alter zwischen 15 und 18 erhielten von der ONG MANDA eine Ausbildung in Informatik sowie das Material, um diesen kleinen Betrieb selbständig zu führen. Unter anderem erledigen sie Druckarbeiten und machen Fotokopien. 




Zu den Projekten, die sich im gleichen Quartier wie ihr Büro befinden, geht Miarintsoa zu Fuss. Hier sieht man sie in einem typischen Gässchen.




Die weiteren Distanzen werden entweder mit dem öffentlichen Bus oder aber mit einem der typischen Taxis der Hauptstadt zurückgelegt.




In diesem kleinen Kiosk werden die Arbeiten aus dem Projekt VONY verkauft




Im Kiosk werden auch die Arbeiten von den Eltern der Strassenkinder der ONG verkauft. Die Ringe sind aus Zebuhorn und Knochen, die Ohranhänger aus Horn und Schildpatt.  




Miarintsoa im Gespräch mit zwei Touristen. Da sich der Kiosk in unmittelbarer Nähe des Königinnenpalastes, einer der Sehenswürdigkeiten von Antananarivo, befindet, ist es nicht selten, dass sich ausländische Besucher am Kiosk einfinden.




Es wird genauestens Buch geführt über den Verkauf der Waren. Im Heft vermerkt sind unter anderem das Datum des Verkaufs, die Namen der Hersteller der verkauften Ware, Preis und Anzahl der Artikel und die Namen derjenigen, die das Geld einkassiert haben.




In ihrem Büro geht die Direktorin mit ihrer Assistentin Patricia die Buchhaltung durch.




Ein Blick auf den gefüllten Terminkalender zeigt unter anderem den Termin mit PRIORI für das Interview.




Und endlich ist kurz nach 13 Uhr: Zeit für das Mittagessen.




Miarintsoa RAZANAKINIAINA


Die Serie' Ein Tag im Leben' beschreibt den Alltag von Menschen in Madagaskar. Möglichst nahe, möglichst konkret.  
Während Ihres Besuches in Madagaskar können Sie diese Person gern persönlich kennen lernen.


 
 
 
 
 
 

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