Ein Tag im Leben... eines Tierarztes

Um 6 Uhr stehe ich auf, frühstücke, mache mich fertig und verlasse das Haus um 7 Uhr zusammen mit meinen beiden Kindern. Meine Praxis befindet sich in einem 10 km entfernten Vorort der Hauptstadt. Dort gehen auch meine 5-jährige Tochter und der 13-jährige Sohn zur Schule. Da ich selber kein Auto besitze und morgens die Stadtbusse oft überfüllt sind und auch um Zeit zu sparen, nehmen wir ein Taxi.

Meine Praxis ist während der Woche von 8 – 12 und 14 - 17 Uhr geöffnet, samstags von 8 – 12 Uhr. Der Vormittag vergeht damit, Leute zu empfangen: Kunden, mit denen ich eine Verabredung habe, sei es zum Impfen oder für operative Eingriffe; Kunden, die wegen eines Problems mit ihren Tieren spontan kommen, Medikamente kaufen wollen, einen Rat oder eine Information brauchen; Arzneimittelvertreter, die von mir bestellte Produkte bringen oder neue vorstellen. Gleichzeitig zu der Praxis betreibe ich nämlich eine Veterinär-Apotheke. Die Pharmazeutika sind fast alle importiert, denn in Madagaskar gibt es noch keinen Hersteller, der sich auf Arzneimittel für Tiere spezialisiert hat. Sie kommen vor allem aus Europa, China und Indien. Ich führe Antibiotika, Vitamine, Impfstoffe und Produkte gegen die diversen Parasiten wie Würmer, Flöhe und Ratten.

Am Mittag schliesse ich die Praxis. Meine Kinder kommen aus der Schule hierher und meine Frau bringt das Essen, das sie am Vormittag zubereitet hat, aus der Stadt und wir nehmen gemeinsam in einem Hinterzimmer die Mahlzeit ein. Während der Ferienzeit gehe ich mittags zum Essen nach Hause. Wenn ich am Morgen ohne die Kinder komme, benutze ich die öffentlichen Verkehrsmittel.

Nachmittags ist es eher ruhiger, da ich dann keine Operationen auf Verabredung mache, sondern nur Notfälle annehme. Da ich keinerlei Infrastruktur habe, um die operierten Tierpatienten bei mir zu behalten, muss der Besitzer sie nach der Operation mit zu sich nach Hause nehmen und während drei aufeinander folgenden Tagen wird die postoperative Pflege und Kontrolle entweder bei ihm zu Hause oder bei mir in der Praxis vorgenommen – je nach Schweregrad der Operation und dem Allgemeinzustand des Tieres. Gerne würde ich Boxen machen, um die Tiere hier zu behalten, damit ich sie besser überwachen kann, um Komplikationen vorzubeugen. Aber da ich den Raum für die Praxis gemietet habe und man nie weiss, wie lange es dauert, bis der Besitzer diesen wieder für sich nehmen wird, will ich nichts investieren. Ausserdem wohne ich ja auch nicht vor Ort. Hausbesuche werden entweder vormittags oder nachmittags erledigt, je nach Arbeitsanfall in der Praxis und Dringlichkeit des Falles. Für einfachere Erledigungen wie Impfungen oder Verbandwechsel schicke ich meinen Assistenten Solo, der sein Handwerk bei einem inzwischen verstorbenen Kollegen gelernt hat. Bei mir arbeitet er seit gut 10 Jahren. Er macht sogar kleinere Operationen. Wenn ich verhindert bin, ist meine Frau in der Praxis anwesend. Sie kann die Leute beraten, Medikamente verkaufen und auch Impfungen vornehmen.

Mein Studium habe ich von 1987 bis 1993 in Kharkow, der damaligen Sowjetunion absolviert. Zu der Zeit gab es in Madagaskar noch keine Möglichkeit, Tiermedizin zu studieren. Dies ist erst seit dem Jahr 2000 möglich. Nach meiner Rückkehr arbeitete ich zuerst bei einer Firma, die Veterinärprodukte importierte. Dadurch kam ich viel im Land herum, konnte Kontakte mit anderen Tierärzten knüpfen und lernte die Probleme der Viehzüchter kennen. Allerdings befriedigte mich diese Arbeit nicht, sie war mir zu bürokratisch. Schliesslich bin ich nicht Tierarzt geworden, um Büroarbeit zu verrichten, sondern um praktisch zu arbeiten. So entschied ich dann 1996, mich selbständig zu machen und eine Praxis zu eröffnen. Mein Ziel war es, vor allem Haustiere wie Hunde und Katzen zu betreuen. Also suchte ich mir ein Wohnquartier aus, wo auch Ausländer wohnten und es noch keine Tierarztpraxis gab. Damals war es für die meisten Madagassen noch nicht üblich, eine tiefere Beziehung zu den Tieren zu haben. Erst in den letzten 10 Jahren hat sich das Bewusstsein geändert. Ich führe das auf die Mondialisation zurück. Auch dass es inzwischen in Madagaskar etwa 10 fremde Hunderassen wie Dobermann, Deutscher Schäferhund, Rhodesian Ridgeback, Deutsche Dogge und dergleichen gibt. Es sind vor allem Züchter, Wachgesellschaften, Ausländer und einige madagassische Liebhaber, die diese Rassen besitzen.

Der Veterinär war früher hauptsächlich für Zebus, Schweine und Hühner zuständig und dies vor allem bei den Viehzüchtern mit grösserem Bestand. Das hiess auch, ständig unterwegs zu sein, weil jene ja auf dem Land wohnen. Kurzum, ich stellte meinen Antrag und bekam die Erlaubnis in diesem Vorort, wo ich jetzt noch immer bin, zu praktizieren.

Im Durchschnitt kommen pro Tag etwa 20 Personen zu mir. Hierin sind auch diejenigen eingeschlossen, die sich nur einen Rat von mir erbeten. Viele davon sind Ausländer. Operationen mache ich montags und dienstags. So bleibt genug Zeit für die postoperative Überwachung während der Woche. Denn die meisten Komplikationen treten in den ersten Tagen nach der OP auf. Auf diese Weise möchte ich vermeiden, dass eventuelle Probleme aufs Wochenende fallen, denn da bin ich oft nicht zu erreichen. Die am häufigsten von mir durchgeführten Operationen sind Ovarektomie, Kaiserschnitt, Hernien, Ohren kupieren und Zysten entfernen. Die meisten meiner Tierpatienten sind Hunde, dann folgen Katzen, Milchkühe, Schweine und Hühner – in der letzten Gruppe sind auch die Kampfhähne enthalten.

Wenn ich um 17 Uhr die Praxis schliesse, sind die Kinder schon von der Schule bei mir und zusammen fahren wir wieder mit dem Taxi in die Stadt zurück und sind dann gegen 18 sind wir zu Hause. Gemeinsam mit meiner Frau bereite ich das Abendessen vor, wir essen zirka eine halbe Stunde später, dann schauen wir Fernsehen, wiederholen mit den Kindern die Schularbeiten und um 22 Uhr gehen wir schlafen.


 

Fotostrecke: ein Tag im Leben
 

   









































Die Serie' Ein Tag im Leben' beschreibt den Alltag von Menschen in Madagaskar. Möglichst nahe, möglichst konkret.  
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