Meteorologie
und Klima
Wie
ein Gürtel durchläuft der Wendekreis des Steinbocks die
Insel Madagaskar, über dem die Sonne am 21. Dezember des Jahres
senkrecht steht. Durch die gestaute Hitze und den fast
senkrechten Sonnenwinkel gilt der Januar als heisseste Zeit in
ganz Madagaskar, während der Juli der kälteste Monat
ist. Generalisiert herrscht eine winterliche Trockenzeit (Südwinter)
von Mai bis Oktober und eine sommerliche Regenzeit (Südsommer)
von November bis April.
Madagaskar
kennt allerdings eine grosse Anzahl an verschiedenen
Klimaregionen mit verschiedenen Variationen. Doch die jährlichen
Mittelwerte liegen überall - ausser in den Hochgebirgen - über
15° Celsius.
Madagaskar
liegt im Einflussbereich der südöstlichen Passatwinde, die
während des ganzen Jahres vom Indischen Ozean herwehen und
reichlich Niederschläge bringen. So ergibt sich eine Zone
im Wind (Osten) und eine Zone im Windschatten der Berge
(Westen). Diese Luftströmungen des Südostpassats
beeinflussen das lokale Klima und die Niederschläge einer
Region, das aber noch entscheidender von der jeweiligen Höhenlage
bestimmt wird. Die Berggebiete im Nordosten erhalten am meisten
Regen, die Tiefländer im Südwesten am wenigsten.
Die
Region im Wind, also die Ostküste, unterliegt von Sambava bis
Fort-Dauphin gleichen Klimafaktoren. Der Osthimmel ist fast
immer von tiefliegenden Wolkenbergen behangen. Das tropische
Klima kennt das ganze Jahr hindurch etwa gleichmässig hohe
Temperaturen von rund 20° Celsius (Jahresmittel) und weist eine
hohe Luftfeuchtigkeit auf. Die Passatwinde sind das ganze Jahr
aktiv und prallen mit ihrer Humidität vom Indischen Ozean
her auf die Küste. Die Niederschläge betragen im
Durchschnitt 1500 bis 3000 mm pro Jahr, machen aber in einigen
Zonen bis zu 3500 mm und gebietsweise sogar wesentlich mehr aus.
Dies gilt für die ganze Ostküste von Vohémar bis nach
Fort-Dauphin, obwohl die Regenfälle von Nord nach Süd
abnehmen, wie die mittlere Temperatur ebenfalls. Die Regen sind
fast gleichmässig auf das ganze Jahr verteilt ohne
Unterbrechung durch eine klar abgegrenzte Trockenzeit. Die
Durchschnittstemperatur von Diégo-Suarez beträgt 27°; der
1250 Kilometer näher an der Antarktis gelegene Ort
Fort-Dauphin ist mit 23° nur wenig kälter.
In
Tamatave fallen während 239 Tagen im Jahr um die drei Meter
Regen, die Durchschnittstemperatur liegt bei 24° bei stetig
hoher Luftfeuchtigkeit. Die unweit davon gelegenen Regionen von
Ste. Marie und Antongil erhalten über 3,5 m Regen (Ste. Marie
3612 mm/Jahr). Die hohen Regenfälle, die höchsten in
Madagaskar, von Ste. Marie, Maroantsetra und der Halbinsel
Masoala erklären sich durch die Küstennähe des
Gebirgszuges von Mandritsara und die südlichen Ausläufer
des Tsaratanana, die wie Wolkenfänger wirken und die Wolken
zum abregnen veranlassen. Die Höhe des Küstengebirges
wirkt sich somit direkt auf die Niederschläge an den Küsten
aus. So erhält der Ostküstenort Farafangana mit 2433
mm/Jahr relativ wenig Regen, weil mit der Schwelle von Ihosy ein
Wolkendurchgang zum Hochland besteht.
Die
feuchten Passatwinde steigen von der Ostküste in Richtung
Hochland auf, kühlen sich ab und erreichen einen starken Sättigungsgrad,
der zu häufigen Nieselregen und Nebelbildungen führt, wie
dies beispielsweise in der Region um den Lac Mantasoa häufig
zu beobachten ist.
Der
Passatwind wird durch die Gebirge des Nordens umgelenkt und
bringt mit rund 2000 mm/Jahr auch der Westküste (Nosy Be und
Sambirano) relativ viele Niederschläge. Diese Gebiete
bilden somit klimatische Inseln im sonst trockenen Nordwesten,
doch auch sie unterliegen - wie die Westküste - einer
Trockenperiode von rund 4 Monaten im Jahr.
Das
Hochlandklima charakterisiert sich durch klar abgegrenzte
Regenzeiten und kalte Trockenmonate. Diese Klimazone dehnt sich
fast über den ganzen Rücken Madagaskars aus, vom Montagne
d'Ambre bis in den Süden zum Isalo-Gebirge.
Entscheidend
ist auch hier die Höhenlage des jeweiligen Ortes. Die
Jahresmitteltemperatur nimmt entsprechend der grösseren Höhenlage
ab. Im Durchschnitt liegt sie bei 17° bis 20° Celsius.
Das
Hochland erhält noch immer beträchtliche Niederschläge,
die um die 1000 bis 1500 mm im Jahr liegen und an einigen Orten
gar mehr sein können. Doch die Verteilung der Regenfälle
aufs Jahr ist ungleichmässig. Die Regen fallen während
des Südsommers von November bis April, wenn Madagaskar unter
einem generellen Tiefdruckgebiet liegt.
Antananarivo
beispielsweise erhält 1,38 m Regen im Jahr, 92% davon
zwischen November und April. Die mittlere Temperatur der auf
rund 1200 müM gelegenen Hauptstadt liegt um 18°. In der nördlichen
Hafenstadt Diégo-Suarez fallen mehr als 1 m Regen im Jahr. In
der Betsileostadt Ambositra sind
es 1529 mm, während am Südende des Hochplateaus in Ihosy
nur noch 842 mm fallen.
Während
mehr als fünf Monaten herrscht auf dem Hochplateau eine
Trockenzeit mit staubaufwirbelnden Winden und verdorrten
Grassteppen. Dies ist gleichzeitig die kalte Jahreszeit, die im
Juni beginnt und mit einer wärmeren Sonne gegen Ende
September endet. Im Juli und August liegt auf dem Hochland
zuweilen ein dichter Morgennebel. Ausserdem fällt im August
ein kalter Nieselregen, von den Madagassen 'ny erika' genannt.
Niedere Temperaturen - bis zu minus 15° - werden während
der Kältezeit nachts in Höhenlagen von mehr als 1500
m erreicht. Es kann gar zu Reifbildung kommen. Der Südwinter
unterliegt dem Einfluss des Rossbreitenhochs über dem Indischen
Ozean.
Schnee
fällt äusserst selten und wenn, dann nur in sehr hohen
Lagen. Während 25 Beobachtungsjahren im Andringitra (Pic
Boby: 2658 müM) fiel nur dreimal Schnee.
Die
Westküste hingegen kennt so gut wie das ganze Jahr über nur
Sonnenschein und Wärme. Zudem ist der Westhimmel fast immer
wolkenfrei. Die Passatwinde ziehen abgeregnet und ausgetrocknet
aus dem Osten über die Berge des Hochplateaus als Fallwinde
nach Westen und werden umso trockener und heisser, je weiter sie
nach Westen und Südwesten kommen. Dieser Föhneffekt wirkt
sich insbesonders in den ohnehin heissen und ausgetrockneten
Tieftälern von Maevatanana (27°) und Miandrivazo (27°)
aus. Im heissen Südsommer allerdings bringt der Passatwind noch
genügend Feuchtigkeit auf das Hochland, um auch gegen Westen
hin noch Regen und Gewitter zu verursachen.
Die
Regenfälle liegen zwischen 500 bis 1500 mm/Jahr, die
Jahresmitteltemperatur der Westküste beträgt um die 25°
Celsius. Zwischen Mai und Oktober herrscht eine fast totale
Trockenheit.
Während
des Südsommers von November bis März bringen Wolken aus
dem Kanal von Mozambique etwas Regen aus dem Westen. Über
dieser generell sehr warmen Meeresfläche liegt praktisch
das ganze Jahr über ein Tiefdruckgebiet, in das die trockene
Luft des Hochlandes einfliesst. Doch mit der Mittagshitze des Südsommers
wechselt der Wind und kommt oft orkanartig vom Meer her ins
Landesinnere, nachmittags begleitet von heftigen Gewittern.
Dieses Phänomen ist insbesonders im Menabe zu beobachten.
Im
Nordwesten wirkt jedoch während des Südsommers der Monsun
als dominanter Wetterfaktor und Regenbringer. Insbesonders der
Region Boina im Nordwesten beschert er reichliche Regenfälle
- nicht aber Diégo-Suarez. Gegen Süden hin nimmt der Einfluss
des aus Nordwesten wehenden Monsuns ab. So erhält Mahajanga
1660 mm Regen, Morondava nur noch 720 mm.
Die
Regenzeit dauert an der Westküste 3 bis 5 Monate im Jahr,
weisst aber trotz der 'kalten' Jahreszeit hohe Temperaturen auf,
die Mittagssonne aus dem Norden (Südhemisphäre) vermag
allemal, einen tüchtigen Sonnenbrand auf die Haut zu brennen.
Die Trockenzeit lässt die Tagestemperaturen bis zu 40° und
mehr steigen. Nachts kühlt es nur unmerklich ab. Die Hitze an
der Westküste ist weit grösser als im Osten. Die
durchschnittliche Temperatur von Mahajanga beträgt 26,6°.
Maevatanana (zwischen Antananarivo und Mahajanga) weisst mit
27,4° die höchsten Temperaturen der Insel auf, bedingt
durch den Föhneffekt der Hochlandwinde.
Im
trockenen Süden der Insel hat der Monsun keinen Einfluss mehr.
Die Luftmassen fallen ausgeregnet vom Hochland hinunter. In der
Region des Wendekreises des Steinbocks nördlich von Tulear
fallen 400 bis 500 mm Regen pro Jahr, diese geringe Menge nimmt
gegen Süden nochmals stark ab. Der - unregelmässige -
Regen wird von Südwinden in heftigen Gewittern hergetragen. So
können das ganze Jahr hindurch Niederschläge fallen,
die jedoch sehr unvorhersehbar sind und oft nur gerade als lokal
eng begrenzte Gewitter auftreten. Im Prinzip fallen die -
heftigen - Kurzregen im Dezember und Januar. Ein theoretisches
Maximum an Niederschlägen wird im Januar erreicht. Das rare
Wasser versickert jedoch sofort im Sand oder strömt in
schnell ansteigenden, reissenden Bächen weg. Daher sind die
Flüsse des Südens während Monaten trocken und füllen
sich nur tageweise nach Lokalregen. Die Halbwüste von Tulear
bis Fort-Dauphin muss mit 350 mm Regen (Tulear) und 600 mm
(Ambovombe) auskommen. In Anakao fällt am wenigsten Regen
von ganz Madagaskar: 310 mm/Jahr.
Die
mittlere Jahrestemperatur liegt bei 26° Celsius und kennt kaum
saisonale Schwankungen. Doch die Tageshitze kann weit mehr als
40° betragen, insbesonders in der spärlich bewachsenen
Kalkebene des Plateaus von Mahafaly. Etwas Kühlung verschafft
an der Küste der zuweilen sehr heftig wehende Südwind, der die
Bäume der Region in Windrichtung umgebogen und flachgebogen
hat.
Fort-Dauphin
liegt gerade noch im Einflussbereich des Ostküstenklimas, und
gleicht mit seinem temperierten Klima und den häufigen
Regen den nördlichen Regionen von Sambirano und Nosy Be.
Westlich von Fort-Dauphin findet sich eine klimatische Kuriosität:
innerhalb von 50 km nimmt die Regenmenge in der Region von
Fort-Dauphin (1529 mm/Jahr) um das dreifache auf 533 mm/Jahr (Behara)
ab. Diese Kontaktzone klimatischer Extreme findet ihren
Niederschlag auch in der Pflanzenwelt: der grünsatte
Tropenwuchs geht urplötzlich in Dornbusch über.
Die
wohl grösste Naturbürde Madagaskars sind die Zyklone, die
sich jedes Jahr zwischen Januar und April im Indischen Ozean
bilden, seltener im Kanal von Mozambique. Betroffen sind vor
allem die Ostküste und der Norden. Ein Zyklon kündet sich
durch eine bedrückende Ruhe und einen drastischen Sturz der
Temperatur an. Der Verlauf eines Zyklons ist nie vorhersehbar. Während
die harmloseren Wirbelwinde an Kraft abnehmen und sich im Meer
verlieren, wandern die kraftvolleren Zyklone mit 100 bis 200 und
mehr Stundenkilometern voran, irren in bizarren Bögen auf
dem Meer herum oder prallen mit Wucht auf die Landmasse. Die
Ostseite Madagaskars von Mananjary bis nach Sambava ist dabei
besonders exponiert: sie muss den Frontalschlag auffangen und
ist danach von der tangentialen Bewegung noch einmal betroffen.
Denn die Zyklone wenden sich bei Landkontakt meist nach Norden,
queren die Insel und rasen - sofern sie ihren Schwung nicht
verloren haben - der Westküste nach hinunter. Das Hochland und
der Süden sind von diesen Naturgewalten weniger betroffen, nur
selten verirrt sich ein Zyklon auf das Hochland oder gar in den
Süden. Ein Küstenzyklon bewirkt jedoch heftige Regenfälle
auf dem Hochland und zuweilen auch im Süden.
Die
Madagassen kennen die Namen der verheerenden Zyklone noch nach
Jahren und Jahrzehnten. So raste der Zyklon Kamisy am 9. April
1984 über den Norden Madagaskars und verursachte 68 Tote und
Tausende von Verletzten. Er hinterliess eine Spur von
eingefallenen Häusern und geknickten Brücken, von überschwemmten
Reisfeldern und geborstenen Kanälen.
Ein
Zyklon kann die Jahresregenfälle einer Region verdoppeln
oder gar verdreifachen. Zyklone können den Unterschied
zwischen satt und hungrig machen. Mehrere Zyklone von 1982
ruinierten derart viele Reisfelder, dass der teure Import von
rund 350’000 Tonnen Reis nötig wurde. 1984 zerstörten
vier Zyklone 40’000 Hektaren Reisfelder. Im März 1986
verwüstete ein Zyklon Tamatave. 1990 wurden Kaffeeplantagen und
Reisfelder im Südosten vernichtet. Mitte Februar 1991 raste der
Zyklon Cynthia über Boina und den Menabe hinweg, die
nachfolgende Wasserflut tötete Menschen und Vieh, riss Häuser
weg und zerfrass Bewässerungsanlagen, setzte Dörfer
und Ackerland unter meterhohe Wellen. In Maevatanana, Mahabo,
Morondava, Ambato-Boeny überflutete er 11’000 Hektaren
Reisfelder, unterbrach Strassen und demolierte Brücken. Die
Folge waren nicht nur Obdachlose und die Gefahr von Seuchen,
sondern eine drohende Hungersnot und kaltblütige
Reisspekulationen durch schnelle Profiteure. Insbesonders im
Menabe waren die Folgen verheerend, die Region hatte sich noch
kaum von den Zerstörungen des vorgängigen Zyklons
Calasanjy erholt. Schon zehn Tage nach Cynthia formierte sich
der Zyklon Debra im Kanal von Mozambique und trudelte mit nur 15
Stundenkilometer Richtung Tulear. Er verursachte Angst und
Panik, verlor jedoch seine Kraft mit dem Landkontakt. Wenige
Tage später formierte sich 400 km östlich von Tamatave
der Zyklon Elma. Insbesonders der Monat Februar 1993 brachte
eine Vielzahl an Zyklonen, unter anderem Desilia, dessen Wasser
die Asphaltstrasse zwischen Morondava und Mahabo (RN 35) auf über
600 Metern wegfrass. Oder später Hutelle, der den
Strassenverkehr zwischen Tamatave und Antananarivo infolge
Überschwemmungen während Tagen lahm legte.
Die
Saison beginnt jeweils im November und endet normalerweise im
April. Die Namen der Zyklone werden alphabetisch von den
betroffenen Inselrepubliken im Indischen Ozean gegeben, der
erste Zyklon der Saison erhält jeweils einen Namen mit dem
Buchstaben A. 1991 war die Tour an den Seychellen, diesen allmächtigen
Urgewalten hübsche Namen wie beispielsweise Cynthia zu geben.
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