Pflanzenwelt
Die
Flora Madagaskars ist eine der artenreichsten der Welt. Die
genaue Anzahl ist noch längst nicht bekannt, Schätzungen
geben 10’000 bis 12’000 Pflanzenarten an. 85% davon kommen
infolge der langen Isolierung nur auf Madagaskar vor. Und immer
wieder werden neue Arten entdeckt. So entdeckte und beschrieb
Professor Werner Rauh von der Universität Heidelberg, einer
der besten Kenner der madagassischen Flora, dutzende von
Pflanzen.
Das
Pflanzenkleid Madagaskars entstand, als Südamerika, Afrika,
Antarktis, Indien und Australien noch ein zusammenhängender
Landblock waren. Daher sind nur 7 der insgesamt 190
Pflanzenfamilien Madagaskars endemisch. Die lange
Isolierung der Insel liess jedoch sehr viele endemische
Gattungen (20%) und noch mehr endemische Arten (über 80%)
entstehen. 84% der Bäume Madagaskars sind endemisch. Der grösste
Endemismus ist in den Tropenwäldern (89%) des Ostens
festzustellen.
Die
Pflanzengeografie zeigt, das ein grosser Teil der madagassischen
Flora auch in Afrika, Indien oder Australien vorkommt, wobei
jedoch die Exemplare in Madagaskar eine eigene Entwicklung
durchgemacht haben. Die Ravenala (Baum des Reisenden) hingegen
findet sich in Madagaskar und in Brasilien mit je einer Art.
Dieses Relikt der Gondwanaflora ist in Kontinentalafrika
ausgestorben. Andererseits weist insbesonders der Westteil der
Insel viele Pflanzen auf, die auch in Afrika anzutreffen sind,
die aber oftmals artenreicher sind als in Kontinentalafrika. So
wachsen beispielsweise in Madagaskar mehr Palmenarten als in
ganz Afrika. 98% der Palmen Madagaskars sind endemisch.
Viele
Pflanzen bestechen durch ihre Form und ihre Schönheit,
durch Farben und Gerüche. Andere sind eher bescheiden und
unauffällig. Ein paar der madagassischen Pflanzen wurden
weltberühmt: der Flamboyant (Feuerbaum), der Baum des
Reisenden, der Christusdorn und die Bastpalme (Raphia).
Rings
um den Lac Anosy in Antananarivo stehen Jacaranda, die im
November einen violetten Blütenring um das blaue Wasser ziehen.
In der Stadt wachsen die Madagascars, riesengrosse
Weihnachtssterne mit roten Flammenblüten, die wegen ihrer
grossen Verbreitung inzwischen als urmadagassische Pflanzen
angesehen werden, aber ursprünglich aus Mexiko stammen.
Der
Stadtpark Tsimbazaza in Antananarivo beherbergt eine reiche Fülle
an Pflanzen Madagaskars. Angelegt um zwei künstliche Seen geht
der Park auf den ersten botanischen Garten zurück, der zu
Beginn des 19. Jahrhunderts von Wenceslaus Bojer, einem aus Böhmen
stammenden Biologen, angelegt wurde.
Kaum
jedoch verlässt man die Stadt, wird man von kahlen
graubraunen Hügeln umgeben, in deren Täler Reisterrassen
eingekerbt sind. Die riesigen Grasländer - oder Steppen -
des Hochlandes sind von bozaka-Büschelgras bedeckt. Im nördlichen
Imerina erstrecken sich die weiten tampoketsa, Steppengebiete,
die manchmal von Galerienwäldern oder wuchtigen Mangobäumen
unterbrochen sind. Das Hochland mit seinen entwaldeten tanety
ist eine verarmte Floralandschaft. Aufgeforstete Waldbestände
bestehen meist aus den - eingeführten - Eukalyptus, Föhren
und Kiefern.
Je
westlicher und südlicher man geht, umso trockener wird die
Landschaft und umso mehr Sukkulenten wachsen. Diese Regionen
werden immer wieder von Buschfeuern heimgesucht und verarmen
zusehends. Das trockene, hochstehende Savannengras wird regelmässig
von den Hirten abgebrannt, denn die Rinder fressen das spröde,
harte Savannengras nicht mehr. Nur wenige Bäume überleben
die Flammen. In diesen bozoka-Steppen leben keine Vögel
mehr und keine Säugetiere. Nur die Viehherden suchen in
extensiver Weidehaltung nach Gräsern. Dieses
Landschaftsbild charakterisiert einen Grossteil Madagaskars.
Der
Osten der Insel wird von Nord nach Süd von einer
tropisch-humiden Zone bedeckt. Sie zieht sich von Vohémar bis
nach Fort-Dauphin auf 1100 Kilometern hin und geht bis zu Höhenlagen
von 900 m.
Die
fast gleichmässig hohen Temperaturen und die ganzjährigen
Niederschläge haben auf den Sandebenen, Sümpfen und
Lagunen der Küstengebiete einen buschdurchsetzten Wald
entstehen lassen und an den Abhängen einen immergrünen
Regenwald, der aber nicht die riesigen Höhen der
afrikanischen Tropenwälder erreicht. Die madagassischen
Baumgipfel strecken sich bis zu 30 Meter über die Erde.
Zusammenhängende Gebiete finden sich nur noch im Nordosten
um Maroantsetra.
Der
Küstenwald, dort, wo er noch existiert, ist nebst vielen Arten
von endemischen Palmen und Sträuchern mit den schlankwachsenden Kasuarinen besetzt
und mit Barringtonia-Bäumen, deren faustgrosse kantige Früchte
schwimmfähig sind und die man beispielsweise an den Stränden
von Ste. Marie sehr häufig antrifft. Dann gedeihen auch um
die 70 Pandanus-Arten, deren weitästigen Kronen oft als
Wirtspflanzen für Orchideen dienen.
Der
Küstenwald ist aber über weite Gebiete degeneriert und durch
hohe Gräser und dichte Philippia-Heide ersetzt. Über
die Hälfte des ursprünglichen Küstenwaldes ist zerstört.
Unterbrochen
wird die Küstenregion durch Sümpfe und Moore, auf denen
freischwimmende Pflanzen wachsen. Auch die endemische und
fleischfressende Kannenpflanze gedeiht in diesem Umfeld. Die
Teiche sind umgeben von einer Sumpflandschaft mit
Wasserhyazinthen, deren madagassischer Name tetezanalika
(Hundebrücke) die Dichte dieser zur Plage gewordenen
Zierpflanze anzeigt.
Mangroven
sind an der Ostküste wesentlich weniger verbreitet als an der
Westküste.
Entlang
der stark beregneten Ostseite finden sich die letzten Reste des
einstigen Urwaldes. Dieser immergrüne Tiefland-Regenwald
beherbergt eine grosse Anzahl endemischer Flora. Doch der Primärwald
ist in grossen Teilen infolge Wanderfeldbau (tavy) zerstört,
an seiner Stelle wächst auf den durch Auswaschungen
verarmten Böden eine Sekundärvegetation (auf
madagassisch savoka genannt), dominiert durch die Ravenala. Auf
den nährstoffarmen Lateritböden breitet sich auch der
Adlerfarn dickichtartig aus. So gibt es savoka-Zonen, die einen
dichten Bewuchs vortäuschen, in Wahrheit jedoch artenarm
nur aus Farnen bestehen und aus Ravenala, die durch ihre
Dominanz keine weiteren Pflanzen zulassen und gar richtige 'Wälder'
bilden und so verhindern, dass der savoka wieder zu einem
artenreicheren Florakleid regenerieren kann. Insbesonders die küstennahe
Region ist durch tavy und Übernutzung stark degradiert und
fast durchgehend zu savoka geworden.
Raphia
(Bastpalme) findet als Lieferant von Pflanzenmaterial Einsatz für
viele Zwecke. An der Ostküste werden noch heute aus den dünnen
Fasern Hemden und Blusen geflochten. Die Häuser werden mit
den Blättern der Raphia gedeckt, zudem kann aus der Pflanze
Alkohol und Wachs gewonnen werden.
Raphia
ist nebst Lavaka eines der wenigen madagassischen Wörter,
die Eingang in den Sprachschatz vieler Sprachen gefunden haben.
Oft
haben Pflanzen und Tiere eine eigenartige Symbiose entwickelt.
Ein interessantes Beispiel dafür ist eine in der Küstennähe
des Ostens lebende Orchideenart, deren weisser Sporn bis 45
Zentimeter lang wird. Sie entlässt nachts einen intensiven
Duft, der Nachtschmetterlinge anzieht, die jedoch über einen
extrem langen Rüssel verfügen müssen, um als Bestäuber
zu wirken. Charles Darwin beschäftigte sich 1862 mit dieser
Orchideenart und sagte die Existenz eines Nachtschwärmers
mit einem mindestens 30 Zentimeter langen Rüssel voraus. Erst
41 Jahre später wurde diese Motte 'entdeckt' und xantophan
morgani praedicta (die Vorausgesagte) genannt.
Mehrere
Arten von wilder Vanille wachsen in Madagaskar. Auch die
Nutzpflanze Vanille, ebenfalls eine Orchideenart, wird
angepflanzt, sie wurde jedoch aus Amerika importiert. Die Bestäubung
muss allerdings mühsam an jeder Pflanze von Hand erfolgen, da
in Madagaskar kein entsprechendes Insekt vorkommt, das diese
Aufgabe übernimmt.
Steigt
man von der Küstenebene die Anhänge des östlichen
Gebirgszuges hoch bis auf eine Meereshöhe von 800 bis 1300
Metern, kommt man in die Region des immergrünen Regenwaldes,
der sich noch einigermassen intakt in Ranomafana, Andasibe und
im Montagne d'Ambre zeigt. Im humiden Klima gedeiht eine
artenreiche und in hohem Grad endemische Flora mit Bäumen
von 20 bis 25 Metern. Oft haben die Bäume Brett- und
Stelzwurzeln. Baumfarne geben dem Wald eine mystische,
urweltliche Dimension. Das dichtverzweigte Wurzelwerk der
Baumfarne wird zu dekorativen Blumentöpfen gehauen und am
Rande der Strassen verkauft, dadurch sind einzelne Baumfarnarten
bereits rar geworden.
Der
üppig wachsende Wald beherbergt Bambus, Lianen, Farne und natürlich
sehr viele Arten von Orchideen. In den noch erhaltenen
Waldgebieten des Ostens wachsen Lianen und Orchideen. Die
Orchideen stellen die artenreichste Familie dar, rund 1000 Arten
sind bislang in Madagaskar identifiziert.
Auch
Palmen wachsen in dieser Zone, insbesonders - vor allem im Süden
- die Dreikantpalme und natürlich eine endemische Fächerpalme,
die Ravenala (madagassisch für das Blatt des Waldes). (Der Name
'Baum des Reisenden' kommt vom Regenwasser, das sich im
Blattansatz über dem Holzstamm speichert und vom durstigen
Reisenden angebohrt werden kann. Diese Erklärung stimmt,
die zweite jedoch weniger, nämlich, dass die Fächerarme
dieser Palme in Ost-West-Richtung stehen und dem
orientierungslosen Reisenden die Himmelsrichtung anzeigen. Der Fächer
hat zwar diese Tendenz, jedoch nicht immer.)
Die
zu den Bananengewächsen zählende Ravenala fächert
über ihrem Stamm rund ein Dutzend bananenblätterartige,
langstielige Blätter wie ein Pfauenrad auf. Die stille
Harmonie der Blätterfächer machte die Ravenala zum
Nationalemblem Madagaskars. Stamm und Blätter der Ravenala
werden an der Ostküste zum Häuserbau benutzt.
Eine
Sonderstellung als eigene Vegetationszone nimmt das Becken von
Sambirano und die Insel Nosy Be im sonst trockenen Nordwesten
ein. Diese eigene Regionalflora wird durch die hohen Regenfälle
(2000 - 2500 mm) ermöglicht, die nördlich der Gebirgszüge
des Tsaratanana hergeleitet werden. Allerdings sind die Primärwälder
dieses Beckens - wie auch jene von Nosy Be - weitgehend zerstört
und durch Plantagen (Ylang-Ylang, Zuckerrohr, Kaffee, Pfeffer)
ersetzt.
Das
Zentralplateau mit seinem humiden Klima und den nährstoffarmen
Lateritböden beherbergt so gut wie keine ursprüngliche
Vegetation mehr. Grossflächige Grasfluren und artenarme
Savannen haben den bis vor ein paar Jahrhunderten noch den grössten
Teil des Plateaus bedeckenden immergrünen Bergwald ersetzt.
Waldbestände mit sehr vielen endemischen Orchideenarten,
Farnen und Moosen sind noch im Montagne d'Ambre, in Ankazobe
(als Aufforstung), in Périnet und in Ranomafana zu finden. In
diesen grösseren Waldbeständen gibt es oft Sümpfe, in
denen die Bastpalme (Raphia) wächst und die
Pandanus-Schraubenpalme, die mit ihrem Säulenwuchs wie ein
eingefalteter Sonnenschirm wirkt. In den Bächen gedeiht die
endemische Gitterpflanze mit ihren in kleine Parzellen
aufgeteilten Blättern.
Die
Grasebenen des Hochlandes werden zuweilen von Galeriewäldern
unterbrochen, ebenso wachsen die anpassungsfähigen Ravenala
und sehr oft finden sich die dunkelgrünen, schattenspendenden
Mangobäume. Eine Palmenart mit einem flaschenartigen Stamm
überlebt die häufigen Buschbrände und verleiht den
gelbtrockenen Savanneneinöden einen freundlicheren
Ausdruck. Die Westseite des Hochplateaus ist kaum bewaldet.
Einzig das unzugängliche Gebirge von Itremo (westlich von
Ambositra) weist einen grösseren Bestand an tapia-Bäumen
(uapaca bojeri) auf, in deren knorpeligen Kronen die
Seidenraupen leben. Die durch eine borkenartige Schicht
umschlossenen Bäume überleben meist die Buschbrände.
In
den drei Gebirgsregionen überlebt nur eine karge Flora mit
Bergheide, Moos, Flechtenwald, Farnen und Bambus. Doch allein im
Tsaratanana wachsen um die 200 Pflanzenarten, die sonst auf der
Insel nicht vorkommen.
Die
Inselberge - Gneis- oder Granithügel - in der Übergangszone
zwischen Hochland und Westen und Süden weisen eine besondere
Flora auf, weil das Regenwasser auf den Felsen rasch abfliesst
und die Inselberge somit Trockeninseln darstellen. In Mulden und
Vertiefungen wachsen jedoch - geschützt vor Buschbränden -
Sukkulenten, Flechten und Moose, die sonst nur in semiariden
Gebieten vorkommen. Eine Besonderheit stellen die
Baumsukkulenten dar, die oft in Zwergform mit ausgeprägtem
Dickenwachstum wachsen.
Auch
in trockenen Felsgebirgen wie dem Isalo finden sich graue
Pflanzen, die aussehen wie fussballgrosse Keramikkrüge oder wie
verwaschene Steine, aus denen gelbe Blüten an einem langen Stil
wachsen. Oder die bis zu einem Meter hohen Zwergbaobab, deren
Aussehen durch die Bezeichnung Elefantenfuss gut umschrieben
wird. Auch sie haben gelbe Blüten.
Aloen
mit ihren stacheligen Schwertblättern wachsen überall im
Westen und Süden und im felsigen Gelände des Hochlandes.
Im
Westen, im Windschatten der Hochlandberge, wo sich die Wolken
abregnen, haben sich die Pflanzen an die mehrheitliche
Trockenzeit und die hohen Temperaturen angepasst, indem sie nur
während der wenigen Monate der Regenzeit Blätter
tragen und Wasserspeicher haben. Andere Pflanzen haben nur sehr
kleinflächige Blätter oder weisen dornenartige Blätter
auf.
Orchideen,
Farne und Moose sind im Westen kaum noch anzutreffen.
Ein
Grossteil der Westküste ist entwaldet, vorherrschend ist eine
sandige Savannenlandschaft mit hochwachsenden Gräsern, die
sich in der Trockenzeit gelbbraun verfärben und von der Bevölkerung
abgebrannt werden. Nur wenige Baum- und Palmenarten überleben
diese jährlichen Brände. Daraus können sich dann
- wie in der Umgebung von Port-Bergé - grossflächige
Palmensavannen entwickeln.
Ein
grösserer Waldbestand (Trockenwald) besteht in der Region
von Morondava. Die Trockenwälder in Küstennähe leiden
ebenso unter Abholzung wie unter Bränden. Auch sie nehmen
zusehends ab.
Wunderliche
Pflanzen dieser regenarmen Zonen sind die verschiedenen
Sukkulenten, die zu 99% endemisch sind und Wasser in den Stämmen
abspeichern. Es gibt Sukkulenten, deren Stämme wie Weinfässer
aussehen oder wieder wie überdimensionale Flaschen. Oder die
Charakterbäume der westlichen Küstenzone, die Affenbrotbäume
(Baobab), in Madagaskar Renala genannt (Renala heisst Königin
des Waldes). In Kontinentalafrika gibt es eine Art Baobab, in
Australien zwei, in Madagaskar aber deren sieben. Exemplare der
afrikanischen Version wachsen in der Region von Mahajanga mit
einem stattlichen Vertreter mitten in der Stadt Mahajanga. Das
Verbreitungsgebiet der Baobab reicht vom Norden (Diégo-Suarez)
bis nach Südwesten, insbesonders in Morondava findet sich eine
Anhäufung von Baobab. Dort gibt es gar als
Touristenattraktion eine 'Allee der Baobab'. Die urweltlichen
Ungetüme - worüber sich schon Flacourt gewundert hatte - haben
einen Durchmesser von bis zu sieben Metern und eine mickrig
erscheinende Krone in bis zu 30 m Höhe. Während der
Trockenzeit sind sie blattlos, nur die überdicken Stummeläste
ragen in den wolkenlosen Himmel. Baobab können mehrere
tausend Jahre alt werden. Die Samen werden geerntet und zu
Öl gepresst. Die Stämme werden in der Trockenzeit
umgehackt, um dem durstigen Vieh aus dem wasserhaltigen Stamm
Wasser zu geben. Die Rinde wird genutzt, um Seile herzustellen.
Madagaskar
hat 330’000 Hektaren Mangrovenwälder, 97% davon befinden
sich an der Westküste. Damit besitzt Madagaskar das grösste
Mangrovenvorkommen des westlichen Indischen Ozeans: in Diégo-Suarez,
im Mündungsdelta des Betsiboka bei Mahajanga, um Morondava und
um Tulear.
Der
Grieche Nearchos nannte 325 vor Christus die Mangroven 'Ein
Wald, der im Meer wächst'. Die immergrünen Mangroven
wachsen an Stellen, wo Flüsse ins Meer münden und erhebliche
Mengen an Schlamm sedimentieren. Diese Brackwasserpflanzen ertragen Salzwasser und Süsswasser. Die auf Stelzwurzeln
stehenden und mit Atemwurzeln ausgestatteten Arten produzieren
schwimmfähige Embryonen und haben dadurch eine grosse
Verbreitung gefunden: die Samen keimen bereits auf der
Mutterpflanze und lassen sich dann als funktionstüchtige kleine
Pflanzen in den Schlamm fallen. Keine der in Madagaskar
vorkommenden neun Arten ist endemisch.
Der
Südwesten und Süden Madagaskars, ungefähr mit dem
Wendekreis des Steinbocks begrenzt, beherbergt eine ganz eigene
Flora, in ihrer Art einzig auf der Welt. 95% der dortigen Flora
ist endemisch. Sie kommen sogar nicht einmal in anderen Regionen
der Insel vor. Die oberflächlich als laubabwerfender
Dornenbusch bezeichnete Region beherbergt Arten, die sich dem -
sandigen, oft salzigen - Boden und dem trockenheissen Klima
anpassen konnten. Und die vor allem von den äusserst
knappen Niederschlägen zu leben vermögen. Es ist das
Land des Sandes und des Durstes: Dornenwälder und
Sukkulenten bestimmen das Landschaftsbild.
Verschiedene
Arten von Euphorbien - als Bäume oder Büsche - sind sehr häufig,
sie stehen wie umgekehrt in die Erde gesteckte Besen inmitten
von Dornbusch. Die glatte, wie aufgedunsen wirkende Oberfläche
ist grün und blattlos. Die Arme können dornig spitz
auslaufen oder wie Bratwürste aneinandergereiht sein. Auch
Aloe-Arten sind weit verbreitet, von faustgrossen unscheinbaren
Minialoen bis hin zu den über drei Meter grossen vaombe mit
roten Blüten existieren um die 60 verschiedene Arten.
Seltsame
Gewächse sind die dornigen Didiereaceen, eine den Kakteen
ähnliche, jedoch nicht verwandte, endemische
Pflanzenfamilie. Sie haben lange, rutenartige, verzweigte und
blattlose Arme, die wie dornenbestandene Säulen mehrere
Meter hoch wachsen. Innen sind diese Arme verholzt. Daher werden
diese urwüchsigen Relikte als Brennholz geschlagen.
Mitte
des 19. Jahrhunderts wurden als Lösung einer
langanhaltenden Trockenheit Feigenkaktusse (Opuntien) eingeführt,
um dem Vieh eine neue Futtermöglichkeit zu bieten. Die
Kaktusart breitete sich sehr rasch aus und wurde zur Plage,
sodass man 1923 die Cochenille-Laus einführte, worauf die
Opuntien weitgehend zerstört wurden, was aber ein
Massensterben unter dem Vieh zur Folge hatte, worauf eine
Hungersnot ausbrach. Daraufhin führte man eine langsamer
wachsende Opuntienart ein, auf madagassisch raiketa genannt, die
heutzutage mit ihren tellergrossen, stachelversehenen Sprossen
das Landschaftsbild weiter Teile Südmadagaskars beherrscht. Die
roten, birnenförmigen Früchte bilden in Notzeiten die
einzige Nahrung der hungernden Bevölkerung, verursachen
aber bei Kindern Durchfall.
Nur
an besser bewässerten Orten und an Flussufern wachsen
ausladende Tamarindenbäume, in denen sich gern die
Katta-Lemuren aufhalten und sich die Flughunde zur Ruhe begeben.
In den meisten Dörfern steht traditionellerweise ein alter
Tamarindenbaum, unter dessen Schatten die Dorfversammlungen
abgehalten werden. Daher nennt man diesen Baum auch 'sozialer
Baum'. Der Tamarindenbaum (kily) galt früher als heilig, wie
auch der Feigenbaum und der Baobab.
Doch
im Süden sind nur noch 1000 Hektar intakter Wald übrig, hauptsächlich
in den Naturreservaten von Berenty und Beza-Mahafaly.
Viele
Pflanzen Madagaskars haben kurative Wirkung. So die kily (tamarindus
indica) gegen Rheumatismus oder die Wurzel des Immergrün als
Mittel gegen Tuberkulose. Eine Fabrik in Fianarantsoa extrahiert
Säfte und Öle aus Pflanzen und exportiert sie. Das
Unternehmen des als Wunderdoktor gelobte - oder als Scharlatan
verschriene – inzwischen verstorbene Dr. Ratsimamanga stellt
auf Pflanzenbasis eine breite Reihe Heilmittel her, die auf den
Märkten verkauft werden. Die madagassischen Naturheiler
kennen etliche Pflanzen gegen Ekzeme, Magenschmerzen, Fieber und
noch viele weitere Krankheiten.
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