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PRIORI, das Reisebüro für und in Madagaskar

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Madagaskar, das PRIORI-Buch

Franz Stadelmann

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Madagaskar: Symbiose zwischen Gestern und Heute

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Expansion und innenpolitische Entwicklung der Merina

Im 19. Jahrhundert versuchten die Merina-Herrscher, ihren Herrschaftsbereich auf die ganze Insel auszudehnen. Die Staatenbildung beruhte auf militärischer Macht und war ohne Hilfe von aussen (Waffen, militärisches Know-how) nicht möglich, wurde aber von den erstarkten Merina zur Doktrin erhoben. Die jahrhundertealte Isolation gegen aussen wurde aufgegeben, um an die begehrten Güter (vor allem Waffen) heranzukommen. Mit dem Handelsaustausch entstanden Probleme der politischen Annäherung Madagaskars an Europa und der Akzeptanz der madagassischen Souveränität durch die europäischen Mächte. Nach einer vorsichtigen Öffnung zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam eine immer stärkere Schliessung Mitte des Jahrhunderts, gefolgt von einer totalen Öffnung, der dann wieder eine restriktivere Aussenpolitik folgte.

Die Merina spielten die Kolonialkonkurrenz (Militär, Kirche, Handel) der Engländer und Franzosen geschickt gegeneinander aus. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts waren die Engländer im Vorteil, der Protestantismus wurde gar zur Staatsreligion. Doch gegen Ende des Jahrhunderts rissen die Franzosen die Dominanz mit militärischer Macht an sich, nachdem sie sich mit England über die Einflusssphären in Afrika abgesprochen hatten. Die Franzosen waren infolge der Bedürfnisse (Reis und Vieh) ihres Territoriums in La Réunion unter grösserem Zugzwang.

Andrianampoinimerina hatte noch zu seinen Lebzeiten seinen ältesten Sohn Lehidama als Nachfolger ernannt, der 1810 als 18-jähriger auf den Thron von Imerina kam und sich den Königsnamen Radama I gab.

Ein Gemälde des französischen Malers André Copalle von 1826 zeigt Radama I in schmucker napoleonischer Uniform, mit kniehohen Reitstiefeln, Goldverzierungen auf der Brust und einem dekorativen Säbel. Dieses Bild gibt ziemlich genau den Lebensinhalt des jungen Königs wider: Radama fühlte sich in erster Linie als Krieger und Kämpfer, bewunderte Napoléon und liebte pompöse Truppenparaden.

Drei Aspekte kennzeichnen seine bis 1828 dauernde, aufgeklärt-despotische Herrschaft: Expansion durch Eroberung, Festigung der Herrschaft und eine dosierte Öffnung gegen aussen.

Trotz der Aufgeschlossenheit gegenüber europäischen Ideen und Methoden blieb er ein traditioneller Monarch im Sinne von Andrianampoinimerina: er hörte seine Berater an, in öffentlichen kabary in Antananarivo oder in Ambohimanga liess er seine Entscheide vom Volk gutheissen, er feierte jedes Jahr das fandroana (königliches Bad), das ihn in seiner Rolle als oberster Chef bestätigte.

Trotzdem schaffte er die sampy (magische Talismane) ab und reduzierte den Gebrauch des Gifttests (tangena) bei Gerichtsverfahren.

Er verstand es auch geschickt, die Interessen der Engländer gegen jene der Franzosen auszuspielen und für sich zu nutzen.

Sogleich nach dem Tod von Andrianampoinimerina erhoben sich die Bezanozano im Osten, Radama eilte mit seiner Armee hin. Kaum war die Gegend um den Lac Alaotra wieder unter seiner Kontrolle, brach er im April 1811 nach Betsileoland auf, um eine Rebellion niederzuschlagen. Die Armee zog weiter südlich bis zum Felsen von Ifandana, wo sich die Verteidiger in ihrer aussichtslosen Lage vom Festungsfelsen in den Tod stürzten.

Die napoleonischen Kriege wirkten sich bis in den Indischen Ozean aus. 1810 besetzte England die Ile Bourbon (La Réunion) und Ile de France (Mauritius). Sir Robert Farquhar, ein Beamter der East Indian Company, wurde 1815 britischer Gouverneur von Mauritius und spielte fortan eine aktive Rolle bezüglich der Entwicklung Madagaskars.

Sylvain Roux, ein französischer Händler, der seit 1804 in Tamatave tätig war und die politische Macht an sich gerissen hatte, musste die Stadt 1811 den Engländern übergeben, sie nahmen auch - nur theoretisch - Besitz der Ostküste Madagaskars. Entsprechend den Verträgen vom 30. Mai 1814 und 1815 erhielten die Franzosen die Insel La Réunion zurück, England behielt Mauritius. Madagaskar blieb in den Verträgen ungenannt.

Die Konkurrenz zwischen den beiden Seemächten England und Frankreich um Einfluss und Landnahme in Afrika ging unvermindert weiter und betraf auch den Anspruch auf die Insel Madagaskar. Frankreich berief sich auf ein Gewohnheitsrecht: seit der Zeit von Richelieu und der Kolonialpolitik von Colbert im 17. Jahrhundert beanspruchte Frankreich die grosse Insel für sich.

England hatte versucht, sich in der Bucht von Saint-Augustin niederzulassen und stand im 18. Jahrhundert in Handelskontakt mit einigen Häfen an der Ostküste. Doch erst im 19. Jahrhundert begann sich England wirklich für Madagaskar zu interessieren: eher als Konkurrenzhaltung gegenüber Frankreich.

Englands Interessen waren philanthropischer Art (Abschaffung der Sklaverei) und sicher auch handelspolitischer Art (Einbeziehen Madagaskars in die englische Einflusssphäre). Farquhar kam nach eingehenden Studien zum Schluss, dass das Merina-Königtum am ehesten für diese Ziele zu benutzen sei. Somit gewährte er dem Merina-König eine aktive Unterstützung zur Stärkung des Merina-Reiches, wohl auch, um dadurch eine Kolonialisierung der Franzosen zu verhindern.

Die Plantagen von La Réunion waren eher auf Sklaven angewiesen als jene von Mauritius, weil die Planteurs von Mauritius indische Coolies für die Arbeit holten. (Während 1807 in Grossbritannien und allen britisch dominierten Regionen die Sklaverei abgeschafft worden war, verlangten die Planteurs auf Mauritius nach 40’000 neuen Sklaven. Farquhar unterstützte in einer ersten Zeit ihr Gesuch.) Zudem war Mauritius - ab Mitte des Jahrhunderts - unabhängiger von Nahrungsmitteleinfuhren (Reis und Vieh) als La Réunion mit seiner starken Ausrichtung auf Exportkulturen.

Für das Merina-Reich bildete der Verkauf von Sklaven (meist Kriegsgefangene und Sträflinge) einen wesentlichen Teil des Exporteinkommens. Pro verkauften Sklaven erhielt der König einen Piaster. Auch die Oberschicht verdiente am Sklavenhandel tüchtig mit.

Die Sklaven wurden in Tamatave - dem Fenster des Merina-Reiches zum Meer hin - gegen Waffen und Schiesspulver getauscht. Daher führte auch eine Militärexpedition des jungen Königs Radama nach Tamatave (1817), um den mpanjakamena Jean-René zu unterwerfen und sich so einen direkten Meereszugang zu sichern.

Sir Robert Farquhar liess sich von Händlern über die Lage in Madagaskar genauestens informieren und setzte fortan konsequent auf die Karte 'Radama'. Er sandte 1816 den in Mauritius stationierten ehemaligen Sklavenhändler Chardenoux auf eine informelle Reise nach Antananarivo. Chardenoux hatte schon etliche Reisen nach Madagaskar gemacht und kannte auch Radama I. Er brachte zwei Halbbrüder des Königs Radama mit nach Mauritius, um sie zu unterrichten. Noch im gleichen Jahr 1816 sandte Farquhar den Militärberater Lesage, der die ersten Verhandlungen über einen Freundschaftsvertrag zwischen Imerina und Grossbritannien führte. Die Frage der Sklaverei wurde noch nicht angeschnitten. (Mit dabei waren auch Chardenoux und Sergant Brady.)

Im kommenden Jahr zog Radama an der Spitze von 30’000 Mann an die Ostküste, um den Lokalherrscher Jean-René zu unterwerfen und damit den Hafen von Tamatave für den Aussenhandel zu öffnen. Gleichzeitig nahm Radama seine beiden Brüder Ratafika und Rahovy in Empfang, die von ihrem Studienaufenthalt auf Mauritius unter der Anleitung von Hastie zurückkehrten. Hastie hatte auch Pferde für Radama mitgebracht. Zudem gingen 1820 neun junge Madagassen - unter ihnen der spätere Historiker Raombana - nach England zu Ausbildungszwecken, sechs weitere wurden in Mauritius ausgebildet.

In den kommenden Monaten üerzeugte Hastie den jungen Radama, dass der Export von Sklaverei abgeschafft werden sollte und stellte dafür reiche Finanzhilfe und Materialsendungen der Briten in Aussicht. Hastie argumentierte gegenüber Radama, dass die Sklaven mehr nützten, wenn sie auf den eigenen Reisfeldern arbeiteten. Der König liess sich überreden und unterzeichnete den Vertrag am 23. Oktober 1817 in Tamatave, während Sergante Hastie als Vertreter des in Mauritius residierenden britischen Gouverneurs signierte. Somit verpflichtete sich Radama I zur Abschaffung des exportorientierten Sklavenhandels auf der ganzen Insel und berechtigte ihn damit zu britischen Kompensationen. Die interne Sklavenhaltung und die Versklavung von Kriegsgefangenen blieb allerdings weiterhin bestehen. Doch auch der Sklavenexport ging weiter, heimlich organisiert von der Merina-Oberschicht und den an der Küste stationierten Europäern und Mischlingen. Selbst der von Farquhar als britischer Interessensvertreter eingesetzte Jean-René war ein bekannter Sklavenhändler, so wie auch Belombre, der grösste von Sklaven bewirtschaftete Gutsbetrieb der Insel Mauritius, der Familie Farquhar gehörte.

In diesem Vertrag wurde Radama I als König von Madagaskar bezeichnet und die Monarchie damit von England als erster ausländischer Macht offiziell anerkannt.

Ein zusätzlicher Vertrag von 1820 bestätigte den ersten und verpflichtete die Briten, Handwerksausbildner nach Antananarivo zu senden. Noch im gleichen Jahr kamen die ersten englischen Lehrer nach Antananarivo, in Wirklichkeit waren es Missionare. Die etablierten Sklavenhändler waren den Missionaren gegenüber nicht sonderlich freundlich gesinnt. Ein weiterer Vertrag von 1823 erlaubte der britischen Marine, rings um Madagaskar zu patrouillieren, um Sklavenschiffe abzufangen.

Diese Verträge mit den Briten ermöglichte Radama die Verwirklichung von drei Zielen: sein Königstitel wurde von einer europäischen Macht anerkannt, die Kompensation finanzierte den Aufbau einer modernen Armee und die Lehrer halfen durch ihre technischen Kenntnisse, die Modernisierung des Landes voranzubringen.

Dadurch erfuhr das Merinaland, das gegenüber den anderen Gebieten Madagaskars sowieso schon technisch und organisatorisch weiterentwickelt war, einen Impuls, der sich bis in die heutige Zeit auswirkt. Doch diese technische Entwicklungshilfe wurde weitgehend für luxuriöse Arbeiten gebraucht, die nur dem Prestige des Hofes dienten, nicht aber die Ökonomie des Landes stimulierten - ausser dem Schulwesen.

Mit aller Energie suchte Radama, sein Binnenland zu vergrössern und bis ans Meer auszudehnen. So auch gegen Westen hin, wo die Sakalava-Herrscher des Menabe ebenfalls Zugang zu Feuerwaffen hatten. Zwar errichtete Radama eine Garnison in Mahabo, doch der wichtigste der Sakalava-Könige, Ramitraho, widersetzte sich ihm nachhaltig und trickreich.

1822, nach Rückkehr von seinem erfolglosen Feldzug in den Menabe, proklamierte Radama seinen Herrschaftsanspruch über die ganze Insel und kam damit unweigerlich in Konflikt mit den Franzosen, die seit 1750 nach wie vor Ste. Marie besetzt hielten. Zudem hatte 1821 der französische Graf Grasse Fort-Dauphin mit vier Soldaten besetzt. Diesem Unternehmen war allerdings kein Erfolg beschieden.

(Vier Jahre später ging Fort-Dauphin in die Hände der Merina über.)

Die Franzosen suchten durch ihren Verbindungsmann Sylvain Roux, der 1818 als Wissenschaftler getarnt über Ste. Marie nach Tamatave kam, wieder Einfluss über die Betsimisaraka auf der Ostküste zu erlangen. Dort hatten sich bereits vereinzelte Siedler aus La Réunion niedergelassen. 1821 besetzte Sylvain Roux für Frankreich den Hafen Tamatave, der bisherige und von den Briten gestützte Lokalchef Jean-René widersetzte sich dieser Aktion nicht. Roux zog nördlich nach Foulpointe und 1822 liess er sich in Ste. Marie nieder, wo er 1823 starb. Foulpointe wurde wenige Monate darauf von einer Merina-Armee unter Befehl von Hastie eingenommen, der zur nachhaltigeren Sicherung des Herrschaftsanspruchs eine Garnison vor Ort zurückliess. Nach der Kampagne von 1823/24 führten die Merina 1829/30 einen erneuten Feldzug gegen die unabhängigkeitswilligen Betsimisaraka. Nachdem sich die Franzosen 1830 von der Ostküste zurückgezogen hatten, folgten ihnen mehrere tausend Betsimisaraka nach Ste. Marie, um der Merina-Herrschaft zu entkommen. (In diesem Jahr starb auch Sir Robert Farquhar, dessen Lebenswerk es war, die Bande zwischen Imerina und Grossbritannien zu knüpfen.)

Durch die hohen Verluste alarmiert, reorganisierte Radama mit ausländischer Hilfe in den Jahren 1820 - 1822 seine Armee von Grund auf. Er schuf erstmals in der Geschichte Madagaskars eine Berufsarmee, die foloalindahy (die Hunderttausend-Mann).

Bislang - beispielsweise beim Feldzug gegen die Betsileo mit der Einnahme von Ifandana 1810 - 1812 oder dem Feldzug gegen die Betsimisaraka - waren auf einem Kriegszug mehrere zehntausend Mann unterwegs. Die Soldaten mussten sich selber ausrüsten und bezogen keinen Sold. Nach einer Kampagne erhielten sie zwar als Kompensation für die geleisteten Dienste einen Anteil an der Beute (meist in Form von Sklaven). Die Truppen waren schlecht organisiert und litten oft Hunger. Der Feldzug an die Ostküste von 1817 kostete während eines Monats 10’000 Leute. Zudem hielten diese Feldzüge zu viele Männer von der Feldarbeit auf den Reisfeldern ab.

Die Reorganisation wurde von den englischen Instruktoren Hastie und Brady und dem französischen Korporal Robin geleitet. Die Ausrüstung lieferten die Engländer: 100 Gewehre, 100 Fässchen Schiesspulver, 400 komplette Uniformen. Weitere Lieferungen folgten.

Die Rekruten stammten in der ersten Zeit aus den reicheren Familien, später wurden auch Rekruten aus den ärmeren hova-Familien akzeptiert und sogar aus den Reihen der königlichen Sklaven. Die Armee erhielt etliche Privilegien und wurde stark hierarchisiert: der einfache Soldat hatte einen Grad, der je nach seiner Tüchtigkeit erhöht wurde. Ein General kommandierte 1000 Mann und hatte zehn Grade.

Um die Disziplin zu erhöhen, wurde ein Militärreglement eingeführt. Auf Fahnenflucht stand die Todesstrafe. Die Soldaten mussten sich die Haare kurz schneiden. (Als Vorbild für diese Neuerung, die entgegen den bisherigen Sitten war, liess sich auch Radama die Haare kurz schneiden.)

Die bürgerlichen hova bekamen mehr Gewicht in der Armeeführung, weil sie durch Tapferkeit und Tüchtigkeit schnell Grad um Grad höher stiegen und so bald auch militärisch höhere Grade erreichten als die Angehörigen der adeligen Klasse der andriana.

Bereits ab 1825 übernahmen hova-Generäle von den andriana das Kommando über die schnellen Einsatztruppen. (Ab dieser Zeit lag die eigentliche Macht bei den Militärs und den Staatsverwaltern, die durch die Beherrschung von moderner Kriegskunst und der Schrift - beides von Europäern eingeführt - die traditionelle Ordnung der Monarchie zu überschatten begannen.)

Die Militärs (miaramila) bezogen auch nach dieser Militärreform keinen Sold, sie hatten aber weiterhin Anrecht auf Beutegut, zudem war der Prestigewert der von den Engländern gelieferten roten Uniformen ausserordentlich hoch, ebenso wie jener der Grade.

An der Spitze seiner Truppen war der Merina-König Radama einmal in Betsileoland (1811), dreimal im Menabe (1820: Niederlage; 1821: Niederlage; 1822: Erfolg), dreimal in Betsimisaraka (1817; 1823/24 und 1827), einmal im Norden (1824) und zweimal in der Region des Lac Alaotra (1811; 1817).

Die mit 13’000 Mann erfolgte Expedition in den Menabe (1822) zeigte eine neue Effizienz dieser Armee. Radama erreichte den Ort Mahabo, wo er aus Allianzgründen Rasalimo, die Tochter des regierenden Ramitraho heiratete und zu seiner Hauptfrau (vadi-be: dh Vorsteherin der anderen 11 Ehefrauen) machte. (Rasalimo unternahm zwar 1826 einen Fluchtversuch, ergab sich dann aber wohl ihrem Schicksal und starb 1866 hochgeachtet in Antananarivo und hatte ihrerseits zu einem besseren Verständnis zwischen den Sakalava und den Merina beigetragen).

Merina-Garnisonen wurden an strategischen Punkten errichtet, so entstand unter anderem der Ort Tsiroanomandidy. Die Sakalava des Menabe jedoch rebellierten gegen die Garnisonen, Ramitraho hielt die Merina-Unterhändler trickreich während Jahren hin. (Sogar Rasalimo, von Radama 1826 mit 1000 Mann unter dem Kommando von Robin in den Menabe geschickt, schaffte es nicht, ihren sich versteckt haltenden Vater zu finden.) Der Menabe wurde von den Merina zwar militärisch erobert, doch effektiv nicht beherrscht.

Gleich nach der Kampagne gegen den Menabe folgte 1823 ein Feldzug an die Ostküste, wo sich der wendige Händler und Lokalherrscher Jean-René erneut auf die Seite der Merina schlug und für sie gar den Küstenstreifen bis nach Mananjary eroberte. Radama seinerseits zog der Küste nach hoch bis nach Vohémar und nach Diégo-Suarez. Der Feldzug dauerte bis 1824 und setzte sich in einem Kleinkrieg bis 1827 fort. An der Ostküste wurden mehrere Merina-Garnisonen stationiert. Diese Befestigungsanlagen wurden jeweils etwas versetzt im Hinterland erbaut, aber noch in Kanonennähe des jeweiligen Hafens.

Nur fünf Monate später folgte 1824 eine Expedition nach Boina. Dort war der Sakalava-König Andriantsoly, ein Nachkomme von Königin Ravahiny, zum Islam übergetreten und hatte so die Unterstützung von moslemischen Staaten in Mozambique, Zansibar und den Komoren erhalten. Den moslemischen Antalaotra, die für ihn den Aussenhandel abwickelten, erhielten noch mehr Freiraum. Den expansiven Hochlandkönig Radama I hingegen betrachtete er als Konkurrent und Feind. Andriantsoly wurde von den militärisch überlegenen, 14’000 Mann starken Merina-Truppen besiegt und Mahajanga eingenommen (1824). Doch kaum war der Hauptharst der Merina-Armee abgezogen, erhob sich 1825 der Boina trotz der Merina-Garnisonen am unteren Betsiboka gegen die fremde Okkupation. Andriantsoly floh schliesslich 1826 nach einer erfolglosen Meuterei auf die benachbarten Komoren.

Radama schickte 1825 Ramananolona mit 3000 Mann in den Süden nach Fort-Dauphin, der den Ort ohne Mühe in Besitz nahm und dort Gouverneur wurde. (Der Ort war ab 1821 bloss von fünf französischen Militärs - eher symbolisch - besetzt gewesen.)

Durch diese Feldzüge von 1822 - 1827 hatte Radama zwar grosse Teile der Insel militärisch erobert, die Besiegten mussten ihre Waffen abgeben und dem Merina-Herrscher Tribut zahlen, doch nach Abzug der Truppen kam es häufig zu Meutereien gegen die zurückgelassenen Garnisonen, die oft militärisch unterdotiert waren. Nur die grossen Militärposten wie Mahajanga, Mahabo und Foulpointe waren mit 1000 Mann besetzt, Tamatave sogar mit 2000 Mann.

Zur Erhöhung der militärischen Schlagkraft warben die Garnisonen auch lokale Soldaten an, man nannte sie miaramila lava-volo, Soldaten mit langen Haaren im Gegensatz zu den kurzgeschorenen Merina-Soldaten.

Die Garnisonen mussten sich selbst ernähren, so entstanden in der Umgebung der Festungen die Pflanzfelder der Soldaten und dadurch fand der Anbau von Reis eine weitere Verbreitung. Im Umkreis der Garnisonen liessen sich oft auch zugewanderte, zivile Merina-Siedler (borizano) und Händler nieder.  Dadurch entwickelten sich im Laufe der Zeit etliche der Garnisonen auch zu Handelsposten und kleinen Städten.

Effektiv beherrschten die Merina nur strategische Punkte an den Küsten (Fort-Dauphin, Morondava, Küstengebiet von Mahajanga, Vohémar, Teile der Ostküste, Mananjary) und die unmittelbare Umgebung der Garnisonen. Die dort stationierten Gouverneure verfügten über eine fast absolute Macht im Namen des Königs, nur die Todesstrafe durften sie nicht verhängen.

Trotz der aggressiven Expansionspolitik entgingen weite Teile Madagaskars (Süden, Westen, Norden) der Kontrolle der Merina. Und auch die eroberten Gebiete standen nur theoretisch unter der Herrschaft der Merina-Gouverneure. Die zurückgelassenen Garnisonen konnten diese Gebiete nach Abzug der Haupttruppe kaum gegenüber den immer wieder aufflackernden Aufständen halten. Zu Aufständen kam es auch, als Jean-René 1826 starb, was einen neuen Feldzug gegen die Ostküste (1827) benötigte. 'Ny riaka no valam parihiko' (Das Meer ist die Grenze meiner Reisfelder), das Testament von Andrianampoinimerina war jedoch noch nicht erfüllt.

Doch dem energischen König war es innerhalb weniger Jahre gelungen, der Enklave Imerina Zugänge zum Meer zu verschaffen. Einerseits gegen Osten zum wichtigen Hafen Tamatave, dann gegen Nordwesten nach Mahajanga und gegen Westen nach Morondava. Damit hatte er Zugang zum Warenaustausch mit fremden Mächten und somit zu Waffen. Dies ermöglichte den Aufbau von noch mehr Macht.

Die Bedeutung der Häfen von Antongil und Foulpointe nahm zu Beginn des 19. Jahrhunderts ab, Fénérive gewann dank eines besseren Hafens an Wichtigkeit, wurde aber seinerseits während der Herrschaft von Radama I durch das bislang kleine Fischerdorf Tamatave abgelöst. Radama, in seinem Bestreben, den Exporthandel mit den Europäern zu kontrollieren, hatte Tamatave zum neuen Exporthafen bestimmt.

Radama führte das Erbe getreu im Sinne von Andrianampoinimerina weiter und verbrachte viel Zeit mit Feldzügen und mit Fragen der Armee. Für die Organisation des Staatsapparates hatte er weniger Zeit. Ausserhalb von Militärangelegenheiten führte er im wesentlichen die Herrschaft von Andrianampoinimerina unverändert weiter.

Das Volk nahm fortan nicht mehr direkt an den Feldzügen teil. Die Zivilisten (borizano) galten weniger als die einfachen Soldaten, mussten die Armee jedoch durch Militärsteuern unterstützen. Zudem mussten die borizano mehrere Tage pro Woche Fronarbeit für den Staat leisten.

Im Kerngebiet von Imerina herrschte Frieden. Dies führte dazu, dass die Leute ihre auf Bergkuppen gelegenen befestigten Dörfer verliessen (weil sie oft ohne Wasser waren und der Weg zu den Reisfelder weit war) und sich in der Nähe der Reisfelder niederliessen und dazu hohe Mauern (tamboho) errichteten. In Imamo mit seiner unsicheren Westgrenze hingegen wurden Dorfgräben bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gegraben und unterhalten.

Zur Verminderung der Feuergefahr empfahl Radama, die Häuser mit Schindeln statt wie bisher mit Stroh zu decken. Um den Viehbestand ansteigen zu lassen, verbot er das Schlachten von Kühen auf den Märkten. Die Sklavenbesitzer mussten eine Steuer zahlen, der Sklavenexport wurde offiziell verboten.

Den Verkehrswegen widmete Radama etwas mehr Aufmerksamkeit als Andrianampoinimerina. Er veranlasste den Bau von Steinbrücken in Tanjombato (südlich von Antananarivo), Ampitatafika (westlich der Stadt) und in Ambanila über die Flüsse Ikopa und Sisaony. An der Ostküste liess er 1823 durch 800 Mann die Seen der Pangalana-Ebene südlich von Tamatave miteinander verbinden, damit die Güter auf einem Teil der Wegstrecke auf Booten transportiert werden konnten.

Strassen baute er allerdings - wie sein Vater - keine, ausser gerade in unmittelbarer Umgebung der Hauptstadt, die damals rund 15’000 Einwohner zählte.

Eine eigenwillige Idee liess ihn ein Mammutprojekt starten, das nie vollendet wurde. Weil der Hügel von Ambohijanahary den Blick von seiner Residenz auf der rova zur Betsimitatatra-Ebene verstellte, wollte er diesen Hügel abtragen lassen. Die Spuren der begonnenen Arbeiten sind heute noch wie eine Schramme an der Hügelflanke zu sehen.

In die Herrschaftszeit Radama fällt auch die allmähliche Niederlassung der ersten Colons an der Ostküste. So etwa der aus Kreta stammende Nicolas Lambros, der in den 1820er Jahren eine Zuckerrohrplantage anlegte und Zucker und Rum herstellte. Dem im Tal des Flusses Mananjary tätige Lambros wird auch der Bau der ersten Ochsenkarren zugeschrieben, die er für den Transport von Zuckerrohr nutzte.

Die Europäer führten auch neue Pflanzenarten ein: Kaffee, Vanille, Fruchtbäume.

Während der Herrschaft Radama entstand aber auch Unzufriedenheit. Die alten Militärchefs der noblen andriana, die sich einerseits durch die aufstrebenden hova entmachtet sahen und sich andererseits durch den ungehinderten Sklavenhandel nicht mehr unkontrolliert bereichern konnten, wünschten sich eine Rückbesinnung auf das alte System, wünschten die Annullierung des Vertrages mit England und eine Rückkehr zur Isolierung Madagaskars. Die Händler allerdings waren mit dem neuen Warenverkehr mit den Engländern zufrieden.

In Antananarivo machte sich der Einfluss der Europäer bald bemerkbar. Der Zugang zu Antananarivo war bislang den Fremden untersagt gewesen. Sie mussten ihre Produkte in den peripheren Märken feilbieten, vor allem in Ambatomanga (östlich der Stadt Antananarivo). Farquhar schlug dem König schon 1815 vor, die Fremden doch in die Stadt einzulassen, was von Radama zwar akzeptiert wurde, nicht aber von seinen Beratern.

Radama öffnete Imerina nicht nur für Handel, sondern auch für neue Technologien und in ihrem Fahrwasser dem Christentum. 1818 hatte der Missionar der London Missionary Society (L.M.S.), Reverend Jones, in Tamatave eine erste Schule gegründet und ein erstes Wörterbuch der madagassischen Sprache erstellt.

Ab 1820 wirkte Jones, ergänzt durch Griffiths, im Schulunterricht in Antananarivo. 1822 und 1828 kamen Missionshandwerker (Schmied, Weber, Ledermacher, Zimmermann) nach Antananarivo, unter ihnen der Schotte Cameron. Diese ersten 'Entwicklungshelfer' unterrichteten die Merina-Schüler in den verschiedenen Fertigkeiten, was von Radama sehr unterstützt wurde. Radama duldete auch die Verbreitung des Christentums, obwohl sich die Missionare durch die Hintertür der Schule und der Berufsbildung eingeschlichen hatten.

Dadurch jedoch fanden neue Techniken Eingang in Merinaland. So lehrte Canham seinen Schülern die Kunst der Weberei, Chick bildete Schmiede aus. Das Multitalent Cameron, ein aus Schottland stammender Weber, eröffnete zwar eine Weberschule, doch entfaltete er seine Talente vor allem im Baubereich. Er war es, der die Herstellung und den Gebrauch von Backsteinen (biriky) einführte.

Auch die Franzosen waren aktiv, denn Radama schaffte es in allen Bereichen, die Interessen der Briten gegen jene der Franzosen auszuspielen. Der Bauunternehmer Louis Gros konstruierte für Radama den Königspalast von Soanierana nach Plänen des Franzosen Casimir. Der ehemalige Haudegen Napoléons und spätere Deserteur, Robin, wurde gleich nach seiner Ankunft 1818 Hauslehrer und Privatsekretär des für Napoléon schwärmenden Königs Radama, gab ihm Französischunterricht und lehrte ihn die lateinische Schrift. (Die arabische Schrift der Antaimoro war in Imerina einige Jahre vorher eingeführt worden. Radama hatte ein paar Schriftkundige Antaimoro an den Hof bestellt und begonnen, die arabischen Schriftzeichen zu lernen). 1819 eröffnete Robin die erste Schule für die königliche Familie und für Offiziere.

So mussten die Engländer, da sie in der Anfangszeit nicht madagassisch sprachen, mit dem König in französischer Sprache verkehren. Sehr bald entwickelten die Europäer auch eine Schrift für die madagassische Sprache: die Vokale wurden nach englischem Vorbild geschrieben, die Konsonanten nach französischem Muster. (Daher werden beispielsweise die madagassischen 'o' in britischer Art als 'u' ausgesprochen, so etwa wird Morondava als 'Murundav' ausgesprochen.)

In einer Resolution vom 26. März 1823 entschied Radama nach langer Bedenkzeit, dass fortan das lateinische Alphabet die offizielle Schrift des Merinareiches war.

Der L.M.S.-Mitarbeiter Jeffreys erarbeitete ab 1825 eine madagassische Grammatik. 1827 kam die erste Druckmaschine nach Madagaskar - das erste Papier wurde 1820 eingeführt - gesandt von der London Missionary Society. Cameron setzte sie in Betrieb und druckte die ersten religiösen Texte auf madagassisch. 1827 konnten rund 4000 Madagassen lesen und schreiben.

Schulen in der Umgebung von Antananarivo, aber auch in Betsileoland wurden eröffnet. Beim Tod des Königs Radama (1828) waren rund 40 Schulen auf dem Hochplateau in Betrieb.

Doch die arrivierten hova schätzten nicht, dass die Missionare in Umgehung der traditionellen Hierarchie auch den mainty (Sklaven) und den andevo (königliche Sklaven) lesen und schreiben beibrachten. (Doch die protestantischen Missionare mussten ab 1832 auf königlichen Befehl den Sklaven den Zugang zu den Schulen verweigern.)

Der zunehmende Einfluss der Kirche und das neue Gedankengut von Schule und Christentum minderte das Ansehen und den Respekt der ombiasy (Wahrsager) und der einflussreichen Hüter der königlichen Talismane (sampy). Dieser Konflikt musste eines Tages zum Ausbruch kommen. Nicht nur die Kirche war in Imerina präsent. Auf politischer Ebene war Grossbritannien ab Juni 1827 in Antananarivo durch einen Repräsentanten vertreten: dieser Posten, der praktisch eine Botschafterfunktion beinhaltete, wurde erstmals von Dr. Robert Lyall besetzt.

Unerwartet starb am 27. Juli 1828 der 36-jährige Radama I nach 18-jähriger Herrschaft. Das Volk wurde, wie in solchen Fällen üblich, erst Tage später informiert. Radama hinterliess keine Söhne und hatte auch keinen offiziellen Nachfolger bestimmt. So folgte ihm seine älteste Frau und Cousine, Ramavo als Ranavalona I auf den Thron. Die Wahl dieser Nichte des Königs Andrianampoinimerina war keineswegs unumstritten. Gleich nach dem Begräbnis wurde der Grossteil der Angehörigen der königlichen Familie von konkurrierenden Clans umgebracht. So wurde auch Rakotobe, der Neffe von Radama I umgebracht, in ihm hatten viele den Nachfolger des Königs gesehen. Ebenso getötet wurde der Vater von Rakotobe, Prinz Ratefy, der 1820/21 im Auftrag von Radama I eine Reise nach Mauritius und England gemacht hatte.

Ranavalona wurde als Mann deklariert und behielt die zwölf traditionellen Ehefrauen auf den Hügeln um Antananarivo. Daher hätte eine Wiederheirat Komplikationen ergeben, ihre unzähligen Liebhaber wurden stillschweigend toleriert.

Am 23. September 1829 gebar sie ihren einzigen Sohn Rakoto, den sie - ausgerechnet - dem anglophilen Raombana zur Erziehung anvertraute. Raombana war kurz vor der Geburt des Thronfolgers nach siebenjährigem Studienaufenthalt aus Manchester zurückgekehrt. (Als möglicher Vater wurde der ehrgeizige, junge Offizier Andriamihaja genannt, der ein Jahr später unter unklaren Umständen umgebracht wurde.)

Die damals 40-jährige Herrscherin mit dem harten Gesichtsausdruck war Hüterin der sampy (königliche Talismane) der rova gewesen, eine Aufgabe, die ihr Radama I zugesprochen hatte. Lesen und Schreiben hatte sie nicht gelernt. Ihre Berater wechselte sie je nach Lust und Laune. Sie war eine äusserst dominante Frau und von der fixen Idee besessen, Madagaskar falle unter ausländische Dominanz.

Sie muss in ihrer antieuropäischen Politik als Gegenströmung zur erfolgten Öffnung gegenüber der Moderne und den in die Wege geleiteten Reformen verstanden werden. Ihr auf eine Rückkehr zu den hergebrachten Traditionen hinzielender Kurs wurde von konservativen Kräften unterstützt, die sie auch - in einer Art Militärputsch - an die Macht gebracht hatten.

Ranavalona wünschte sich die traditionelle Merina-Ordnung wieder herzustellen. Sie wurde zunehmend autoritär und fühlte sich damit im Einklang mit den Vorfahren. Um ihre Autorität zu stärken, wandte sich die Herrscherin erneut den sampy und den ombiasy (Zauberer, Wahrsager) zu und liess die Giftprobe (tangena) wieder einführen. Radama hatte dieses Gerichtsurteil zwar nicht abgeschafft, aber kaum mehr angewandt.

Sie betrachtete das Christentum als eine europäische Institution und als gefährlich für Madagaskar. Die Missionare hatten auch tatsächlich beunruhigende Ideen ausgesät: nicht mehr der König war Gottes Stellvertreter und selber gottähnlich sondern Christus; Arbeitsleistung sollte entlöhnt werden und nicht mehr als Fronarbeit für den Staat geleistet werden. Nicht mehr die hierarchische Sozialstruktur sollte gelten, sondern ein egalitäres Verhältnis unter Brüdern und Schwestern in Gott.

Die in England und auf Mauritius geschulten Madagassen blieben ohne Einfluss, wie auch die inzwischen zahlreichen ehemaligen Schüler und Lehrlinge der Missionsschulen. Die Königin bestand auf einer Herrschaft gemäss den Prinzipien der Vorfahren (taizan'antitra).

Die alte Ordnung liess sich jedoch nicht mehr vollständig durchsetzen. Während der kriegsorientierten Herrschaft von König Radama I hatten die bürgerlichen hova-Armeeführer erheblichen Einfluss und hohe Positionen erworben und drängten zur Macht. Nach dem Tod des Königs übernahmen sie hohe zivile Posten in der Administration. Dadurch waren sie Chefs des Militärs und wichtige Elemente in der Verwaltung, die bald begannen, auch die Ökonomie zu kontrollieren und den Sklavenexport wieder aufzunehmen.

1832 wurde der bisherige Chefkommandant der Armee, der traditionell denkende Rainiharo Premierminister (mpitaiza andriana) der Königin und hielt diesen Posten bis 1852 inne. Die Funktion des mpitaiza andriana bedeutet 'jener der sich um die Königin sorgt wie um ein Kind', eine Beraterfunktion, der sich schon Andrianampoinimerina und auch Radama I bedient hatten. Der aus dem einflussreichen bürgerlichen hova-Clan der Andafiavaratra  aus Ilafy stammende Rainiharo wurde der bevorzugte Liebhaber der Königin und akkumulierte im Laufe seiner Amtszeit eine beträchtliche Macht und Güter. Er unterstützte die Königin in ihrem antichristlichen Kurs. (Später übten seine beiden Söhne diese Funktion ebenfalls aus: beide waren erst Chefkommandanten der Armee, bevor sie das Amt als Premierminister übernahmen. Das Merinareich kannte nur diese drei Premierminister bis zum Einfall der Franzosen 1895. Die Söhne von Rainiharo schafften es, den Einfluss von Königin und Monarchie immer deutlicher zu reduzieren. Damit beherrschte seit dem Tod von König Radama I der hova-Familienclan der Andafiavaratra das Merinareich.)

Die lange Herrschaft der Königin Ranavalona von 1828 bis 1861 ist gekennzeichnet von ihrem immer wieder heftig aufflackernden Kampf gegen die madagassischen Christen und gegen die Missionare der L.M.S. Zwar hatte sie 1831 in einem kabary (königliche Ansprache) erklärt, dass es jedem Madagassen freistehe, Christ zu werden oder nicht. In Wahrheit jedoch suchte sie zunehmend, den Einfluss der London Missionary Society zu mindern. Noch im gleichen Jahr verbot sie Taufe und Kommunion, ein Jahr später (1832) den Schulunterricht für Sklaven. 1834 durften die Regierungsbeamten nicht mehr schreiben und lesen lernen.

Vielleicht liegt einer der Gründe im Argwohn der Königin gegenüber den calvinistischen Missionaren der L.M.S. in ihrer mangelnden Integration ins tägliche Leben der Madagassen. Die meisten der Missionare führten ein abgesondertes Privatleben, das der misstrauischen Königin wohl missfiel. Nur einer der Missionare (Rowlands) heiratete eine hova-Frau. Im Gegensatz dazu integrierten und assimilierten sich die islamischen Fremden ohne Probleme.

In ihrem immer härteren Kurs gegenüber der L.M.S. versuchte sie, ausgewählte Missionsmitarbeiter durch Einzelverträge an sich zu binden und aus der Obhut der Mission zu lösen. So bot sie dem Schmied Chick und dem 34-jährigen Allrounder Cameron solche Verträge an. Cameron hatte beispielsweise Wasserleitungen in die Stadt gelegt und zusammen mich Chick den künstlichen Lac Anosy geschaffen. 1834 schlug die Königin dem Missionar Cameron einen Vertrag vor, der die Herstellung von Kanonen vorsah. (Cameron produzierte bereits ab 1829 Schiesspulver.)

Nach dem Tod des europafreundlichen Königs Radama I änderte sich auch die Merina-Aussenpolitik. Die Zerstörung des englischen Einflusses vollzog Ranavalona in den ersten sieben Jahren ihrer Herrschaft. 1828, vier Monate nach dem Tod des Königs, kündete sie die Verträge von 1817 und 1820 mit England. Der residente Vertreter Grossbritanniens, Lyall, wurde von ihr nicht mehr anerkannt und 1829 gar gebeten, das Land zu verlassen.

1829 verbot sie alle missionarischen Aktivitäten der London Missionary Society. 1831 verbot sie das Taufen von Kindern und Soldaten. Ab 1834 durfte nur noch in öffentlichen Schulen unterrichtet werden. 1835 erlaubte sie den Europäern zwar, nach ihren Sitten und Religion zu leben, die madagassischen Christen hingegen mussten sich öffentlich zu erkennen geben. Religiöse Bücher mussten verbrannt werden. Christliche Offiziere wurden degradiert. Die madagassischen Christen - ein grosser Teil davon waren Frauen - trafen sich fortan im Geheimen. Jene, die entdeckt wurden, mussten sich der Giftprobe (tangena) unterziehen, wurden versklavt oder in Ketten gelegt. Viele flohen nach Mauritius und nach England. Die Gemeinde der madagassischen Christen in Mauritius machte bald rund 20’000 Personen aus.

Die Christin Rasalama erlitt als erste den Märtyrertod, als sie 1837 im Stadtteil Ampohipotsy mit Speeren durchbohrt wurde. Den Madagassen war nur noch das Folgen von technischen Lehrgängen in den Lehrstätten der Europäer erlaubt, daneben war der Umgang mit ihnen laut Dekret verboten.

Die härtere Gangart der Königin veranlasste die Engländer 1835, fast 16 Jahre nach der Ankunft des ersten Missionars in Tamatave, das Land zu verlassen und sich nach Mauritius zurückzuziehen. Nur Johns und Baker blieben noch bis 1836, um ein madagassisch-englisches Wörterbuch zu vollenden.

Die Periode von 1836 bis 1861 wird seither von den madagassischen Christen als dunkle Zeit charakterisiert, als tany maizina (wörtlich: die in die Dunkelheit getauchte Erde).

Trotzdem blieben einzelne Kontakte mit der Aussenwelt bestehen. 1838 kam Johns auf einen kurzen Aufenthalt nach Tamatave, um madagassische Christen nach Mauritius zu schmuggeln, die in England zu Priestern ausgebildet werden sollten. Im gleichen Jahr gelangte der Missionar Griffiths bis nach Antananarivo, sich offiziell als Geschäftsmann ausgebend. 1840 floh er mit 60 Christen, wurde aber von einem Führer verraten.

Rev. William Ellis, Sekretär der London Missionary Society, hielt sich 1853 für kurze Zeit in Tamatave auf. (Er hatte 1838 eine heute noch lesenswerte Geschichte Madagaskars publiziert, 15 Jahre bevor er selber Fuss auf die Insel setzte. Dabei hatte er sich auf Berichte der L.M.S.-Missionare gestützt, die seit 1818 in Madagaskar tätig waren. Erst 1856 schaffte er es endlich bis zur Hauptstadt.)

Interessant ist, dass die Königin weiterhin einen 'europäischen' Lebensstil beibehielt ebenso wie Kleider in victorianischem Stil trug, während die wenigen Besucher der Hauptstadt, so Ellis, die Höflinge in arabischen Kleidern vorfand, mit einem halbmondgeschmückten Turban auf dem Kopf.

Der Abzug der Engländer begünstigte die Position der französischen Händler. Mit Erlaubnis von Radama I hatte ein Franzose aus Saint-Malo, Napoléon De Lastelle, 1828 eine Zuckerfabrik in Mahela (nördlich von Mananjary) in Betrieb genommen und tätigte verschiedene Import- und Export-Geschäfte. Anlässlich seiner Vertragsverlängerung von 1829 gewährte Ranavalona dem Franzosen De Lastelle, als Repräsentant des Handelshauses Rontaunay (Bourbon), das Monopol für die Herstellung von Alkohol (arack) für die Dauer von 20 Jahren, wobei der Profit zwischen der Königin und den Franzosen geteilt werden sollte. Napoléon De Lastelle, der auch in Tamatave und in Mananjary tätig war, wurde fortan der offizielle Importeur (vor allem von Waffen) und Exporteur des Königreiches und durfte in mehreren Häfen der Ostküste (Fénérive, Mahanoro, Mananjary) Zollgebühren verlangen. Auf de Lastelle geht auch der Bau des ersten Segelfrachters namens Tsidroamandidy im Auftrag der Merinamonarchie zurück. (An der Westküste wurden jedoch schon seit langer Zeit Frachtschiffe gebaut, die den arabischen Dhows nachempfunden sind. Diese Schiffbautradition hat sich bis heute erhalten, so etwa in Morondava.)

Ein unerwarteter Impuls für Imerina kam von einem Schiffsbrüchigen, der um 1831 oder 1832  in der Nähe von Mananjary an Land gespült wurde. Der junge Franzose, Jean-Baptiste Laborde, traf in Mananjary auf Napoléon De Lastelle und lernte dort auch gleich seine künftige Ehefrau, Emilie Roux, kennen.

Der 27-jährige Laborde hatte in Indien bereits kleine Kanonen hergestellt und De Lastelle wusste, dass die Königin fähige Handwerker und Techniker suchte, die Waffen und Schiesspulver herstellen konnten. Unverzüglich stellte er seinem Landsmann ein Empfehlungsschreiben an die Königin aus, die ihn, wie so viele, erst einmal ein halbes Jahr vor den Toren der Stadt warten liess. Doch nach erfolgter Audienz erhielt Laborde sofort einen zweijährigen Testvertrag und eine Aufenthaltsbewilligung von zehn Jahren. Diese Zeitspanne war damals auch für die Aufenthaltsgenehmigungen der Missionare üblich. 

Laborde sollte in erster Linie Kriegsgeräte herstellen und Fachkräfte ausbilden: 4000 Gewehre, die ihm die Königin für einen Piaster pro Stück abkaufte, wobei Arbeitskräfte und Material vom Reich gestellt wurden. Erst arbeitete Laborde in Antanamanjaka, drei Kilometer von Ilafy entfernt, wo ein anderer Franzose (Droit) bereits eine Giesserei zur Waffenherstellung betrieb. 1837 verlegte er die Produktion nach Mantasoa (61 km östlich der Hauptstadt) und baute dort mit 20’000 Zwangsarbeitern das erste Industriezentrum Madagaskars auf, das er soatsimanampiovana (das unveränderlich Schöne) taufte. Fortan produzierte er mit 1200  Zwangsarbeitern,  verurteilten Christen und Sklaven Gewehre, Kanonen (gekennzeichnet mit R.M.: Ranavalona Manjaka, Ranavalona Königin), Schiesspulver, Glas, Seife, Wein, Sirup, Käse. Über den 130 Kilometer entfernten Hafen in Mahanoro, wo De Lastelle aktiv war, importierte er die nötigen Maschinen aus Frankreich und Kupfer aus Ceylon.

Diese Industrieprodukte gaben dem zunehmend isolierten madagassischen Staat eine gewisse Autonomie. Die Königin besuchte Mantasoa 1847 - im Gefolge von 20’000 Personen. Zufrieden mit den Anlagen, die gar einen Schmelzofen beinhalteten, übergab die Königin dem unersetzlichen Laborde mehrere Male grosse Summen Geld, die sie dem Volk durch Sondersteuern abgepresst hatte. Offen bleibt die Frage, ob Laborde wirklich alle Kanonen selbst herstellte - oder die besseren Stücke nicht via den verschwiegenen Hafen seines Freundes De Lastelle in Mahela importiert waren. (Eine Kanone unbekannter Herkunft findet sich seltsamerweise in Lourdes, gekennzeichnet mit R.M.) Die Königin zeigte sich gegenüber Laborde auch sonst immer wieder aufmerksam: als seine Frau Emilie ihn betrog, liess Ranavalona den Liebhaber exekutieren und stellte Emilie unter Hausarrest.

Laborde war nicht nur in seinen Industriebetrieben in Mantasoa tätig. Für die Königin baute er auf der rova in Antananarivo 1839 den 39 Meter hohen Holzpalast Manjakamiadana. (Der riesige Baumstamm für den Zentralpfeiler wurde von 5000 Sklaven aus den östlichen Waldgebieten hergeschleppt. Dieser Palast wurde 1868/73 vom wieder zurückgekehrten James Cameron mit einem Steinmantel umgeben, der heute noch der dominante Blickfang hoch über der Stadt Antananarivo ist. Der hölzerne Innenteil samt Dachgiebel brannte aus noch immer ungeklärten Gründen 1995 ab.) Laborde kannte auch technische Rückschläge: sein 1850 begonnenes Projekt, eine Wasserleitung von Ambohimalaza (15 östlich von Antananarivo) bis hoch zur rova zu ziehen, scheiterte nach vier Jahren Arbeit kläglich.

De Lastelle und Laborde wurden madagassische Bürger. Sie waren Ratgeber der Königin und Troubleshooter in Notlagen, nutzten ihre Position aber auch zur Anhäufung von beträchtlichem Kapital aus. Als De Lastelle 1856 starb, hinterliess er nebst einem umfangreichen Besitz auch 6000 Sklaven.

Weil Jean Laborde in einen - fehlgeschlagenen - Komplott gegen die Königin verstrickt war, musste auch er, wie die anderen anwesenden Europäer (darunter Ida Pfeiffer), 1857 eiligst das Land verlassen. Kaum war er weg, wurden die Anlagen in Mantasoa von den Arbeitern grösstenteils zerstört.

Im Verlaufe der Herrschaft der Königin Ranavalona I begannen die hova-Händler und Armeechefs den Handel zu monopolisieren. Importierte Güter wurden horrend teuer. Auf Gewehre und Pulver beanspruchte die Regierung - und somit die Machtelite um Königin und Premierminister - ein Monopol. Um die Schlagkraft der Armee zu stärken, durften ab 1832 Reis und Fleisch im Aussenhandel nur noch gegen Gewehre und Pulver getauscht werden.

Den militärischen Belangen ihres Reiches widmete Ranavalona weniger Zeit, betrachtete aber das Erlangen einer Einheit auf Madagaskar - unter Dominanz der Merina - als eines der Hauptziele.

Die Armee unternahm mehrere Feldzüge, vor allem in den Süden (1835 bis Ihosy, Ivohibe und Vohimarina; 1835/36 bis Tulear). Der Feldzug nach Tulear unter dem Kommando von Rainiharo mit 15’000 Mann und unzähligen Offizieren und Ordonnanzen wurde zum Fehlschlag. Ziel war die Unterwerfung der Sakalava und die Inbesitznahme der Insel Nosy Ve in der Bucht von Saint-Augustin, dem beliebten Anlaufpunkt von französischen und britischen Schiffen, ebenso wie amerikanischen Walfängern. Die Merina-Truppen verfügten über keine Marine und blickten machtlos auf die Insel hinüber. Zudem wurden die Sakalava sogar von den Europäern und Amerikanern vor den Merina-Angriffen geschützt. (Die madagassische Delegation nach England von 1836/37 hatte auch den Auftrag, ein Schiff für Madagaskar zu kaufen.) Auch das Eingreifen des treuen Laborde, der auf dem Seeweg mit einem Schiff von De Lastelle zu Hilfe eilte und ein paar Sakalava-Führer durch falsche Versprechungen an Bord lockte und kidnappte, nützte nichts. Die Franzosen trieben weiterhin ungestört Handel aller Art, auch Sklavenhandel, vor allem im Süden, während die Engländer eher im Nordwesten aktiv waren.

Interessant in diesem Zusammenhang ist die Rolle von Jean Laborde: suchte er sich bei Hof und Heer beliebt zu machen, weil sein Vertrag 1835 auslief wie jener seines Partners Droit und der britischen Missionare? Laborde war jedenfalls dabei, als die Königin den Missionaren im Februar 1835 die neue Politik erklärt hatte. Droit unterstützt sie lauthals in ihrem antichristlichen Kurs. Laborde blieb bei dieser Sitzung still: plante er bereits eine Strategie, die ihn unersetzlich für die Krone machte? War er sogar der Drahtzieher für die Ausweisung seines Kompagnon Droit, der doch, wie die Königin forderte, 'nützliche Sachen' herstellte. Droit wurde letztendlich in der Folge einer äusserst dubiosen Affäre um das Schiff 'Voltigeur' richtiggehend aus Imerina gejagt. Nach dem Weggang von Cameron und Droit war Laborde jedenfalls der einzige technisch versierte Baumeister, Erfinder und Konstrukteur des Königreiches.

Diese Fragen lässt der madagassische Historiker Raombana in seinem Tagebuch durchblicken und sind umso ernster zu nehmen, als Raombana, der Staatssekretär der Königin Ranavalona I, aufgrund seiner Stellung jederzeit gut informiert und immerhin ein Freund des nur vier Jahre älteren Laborde war.

Betsileoland revoltierte erneut, 1836 wurde eine Armee hingeschickt. Auch nach Boina schickte Ranavalona 1836/37 ihre Soldaten. Die lokale Sakalava-Königin floh auf Nosy Komba und schickte 1838 - mit englischen Booten - ein Hilfegesuch an den Sultan von Oman, dessen Hauptstadt sich in Zansibar befand. Sie unterstellte gar - als Protektion gegen die französischen Schiffe und gegen die Merina - ihr Territorium dem Sultan, der sich allerdings nicht sonderlich interessiert zeigte.

Mit dem Sultan von Zansibar wollte auch Ranavalona I bereits 1836 ins Geschäft kommen: sie schlug vor, 2000 - christliche - Soldaten gegen 400 Gewehre zu liefern. Der Sultan plante, die madagassischen Soldaten im Kampf gegen Mombasa einzusetzen, die Königin wollte die Gewehre nutzen, um die Franzosen aus Ste. Marie zu vertreiben. Das Geschäft scheiterte, weil die Dhow mit den Gewehren vor den Komoren Schiffbruch erlitt.

Die Sakalava-Königin, ihrerseits vom Sultan im Stich gelassen, rief nun die französischen Schiffe zu Hilfe und übergab ihnen 1840 Nosy Be und die umliegenden Inseln. Tausende von Sakalava flohen auf Nosy Be, um der Merina-Kontrolle zu entgehen. Unter französischer Dominanz befanden sich somit Nosy Be, Nosy Ve (bei Tulear), Ste. Marie und Mayotte (Komoren). Auf Nosy Be entstand der Ort Hellville, benannt nach Admiral Hell, dem damaligen Gouverneur von Bourbon (La Réunion). Französische und kreolische Siedler aus La Réunion - arme Weisse, petit blancs genannt - liessen sich auf dieser fruchtbaren Insel nieder. Auch katholische und calvinistische Missionare hielten Einzug und verstrickten sich untereinander bald in Rivalitäten. Die Franzosen unterstützten aktiv die Separationsbestrebungen der Sakalava gegenüber den Merina.

1852 führten die Merina erneut einen Feldzug gegen den Südosten, geleitet von Raharo, der noch im gleichen Jahr nach dem Tod seines Vaters Rainiharo Premierminister wurde.

(Rainiharo, der favorisierte Liebhaber der Königin, wurde in einem wuchtigen Steinmausoleum (fasan-d'Rainiharo) in Isotry begraben, ein Werk des Franzosen Jean Laborde.)

Trotz dieser Feldzüge gelang es der Königin nicht, die von Radama I eroberten Gebiete unter wirkliche Kontrolle zu bringen oder gar ihre Herrschaft weiter auszubreiten. Es wird geschätzt, dass allein die etlichen Feldzüge von 1828 bis 1840 das Leben von 100’000 Männern kosteten, während 200’000 Menschen versklavt wurden.

Mit ihrer Aussenpolitik hatte die Königin wenig Glück. Sie musste zweimal militärische Vergeltungsschläge (1829 und 1845) hinnehmen und geriet immer mehr in internationale Isolierung, die sie trotz der Entsendung von diplomatischen Missionen nicht durchbrechen konnte.

Das Interesse der damaligen Grossmächte Grossbritannien und Frankreich bestand darin, ihre Inseln Mauritius (GB) und Bourbon (La Réunion; F) mit Nahrungsmitteln aus Madagaskar zu versorgen. In den beiden Kolonialinseln war die Produktion einseitig auf Zuckerrohr ausgerichtet, wobei aber Bourbon nachhaltiger von Einfuhren abhing als Mauritius. Zudem suchten beide Inseln einen Absatzmarkt in Madagaskar, unter anderem auch für Alkohol.

Die Franzosen hatten im November 1821 die während kurzer Zeit unter britischen Einfluss gefallene Insel Ste. Marie erneut besetzt und suchten sich auch in der Region von Foulpointe-Tintingue zu installieren. Feindseligkeiten mit Frankreich folgten 1829. Als Vorwand diente die Verhaftung eines Franzosen in Ste. Marie durch Merina-Soldaten und seinen Verkauf als Sklave. Er wurde jedoch von seinen Landsleuten freigekauft. Doch in Frankreich war ein Zuckerbaron aus Bourbon (Graf de Villèle) Minister geworden und kannte somit die Interessen dieser Insel und ihre Abhängigkeit von Nahrungslieferungen (und wohl auch von Sklaven) aus Madagaskar. Unverzüglich setzte er die französische Marine in Marsch.

Sechs französische Schiffe bombardierten noch im gleichen Jahr (1829) Foulpointe, Pointe à Larrée und besetzten mit ihren senegalesischen Soldaten zeitweise die Hafenstadt Tamatave. Schliesslich setzen sie sich in Pointe à Larrée fest. Der französische Unterhändler Tourette wurde von der aufgebrachten Merina-Königin nicht empfangen.

Diese Feindseligkeiten von 1829 wurden von keinem Friedensvertrag beendet. So schickte der Premierminister Rainiharo eine fünfköpfige Delegation nach Europa, die am 5. Juni 1836 in Antananarivo startete und via Mauritius am 19. Februar 1837 in London eintraf. Empfangen von Aussenminister Lord Palmerston, dem König William IV und Königin Adelaide vorgestellt, wurde einzig vereinbart, gegenseitige Konsulate einzurichten. Die britische Forderung, die Verträge von 1817 und 1820 wieder aufzunehmen, ebenso wie Handels-, Besitz- und Religionsfreiheit zu garantieren, wurde von der madagassischen Delegation abgelehnt, die in ihrem Anliegen (Respektierung der madagassischen Souveränität und Protektion des madagassischen Innenhandels) ebenfalls auf taube Ohren stiess. Dasselbe geschah im März 1837 in Paris, die Franzosen fassten den Besuch als reine Höflichkeitsvisite auf. Im Oktober 1837 kamen die madagassischen Diplomaten auf dem Schiff 'Mathilde' wieder in Tamatave an, enttäuscht und ohne Resultate.

International blieb Madagaskar isoliert. Die britische Königin Victoria (1837 - 1901) und der französische König Louis-Philippe suchten vermehrt, ihre Einflusssphären in einem gemeinsamen Einverständnis abzustecken. Dies minderte die Rivalität dieser Grossmächte in Madagaskar und verunmöglichte es, die Kolonialkonkurrenz weiterhin gegeneinander auszuspielen.

1845 wurden die residenten Europäer in Tamatave den madagassischen Gesetzen untergeordnet: ihnen drohten fortan Fronarbeit, Giftprobe und Versklavung im Fall einer Verschuldung. Das Land durfte nur mit Zustimmung der Königin verlassen werden. (Zu jener Zeit wohnten bloss 12 Briten und 11 Franzosen in der Stadt.)

Schon einen Monat nach dem Erlass des Dekrets kreuzten französische und britische Schiffe vor Tamatave, um die Europäer zu evakuieren. Die eingeleiteten Verhandlungen zogen sich dahin, bis sich die Marine entschied, die Stadt in einer gemeinsamen Aktion zu beschiessen. Die daraufhin in Marsch gesetzten Landungstruppen konnten aber die Merina-Festung von Tamatave nicht einnehmen. Es gelang ihnen auch nicht, die selbstgewählte Isolation des Merinareiches zu brechen.

Die Aussenbeziehungen des Merinareiches über den Hafen von Tamatave wurden in der Folge während Jahren unterbrochen: La Réunion und Mauritius erhielten keinen Reis und kein Fleisch mehr. Zudem wurde der Versand von 'engagés' eingestellt. Das System der engagés (Kontraktarbeiter) war aufgenommen worden, um das Sklavenverbot zu umgehen. (Seit 1835  war die Haltung von Sklaven auf Mauritius verboten und ab 1848 auf La Réunion.  Für die Betroffenen engagés blieb dies wohl dasselbe. 1859 kam es gar zu einer Revolte der madagassischen engagés auf La Réunion.)

Infolge des Handelsboykotts im Hafen von Tamatave holten die Briten und Franzosen fortan ihre Nahrungsmittel wieder vermehrt im - von den Merina nicht kontrollierten - Süden und Südwesten der Insel. Oder auch in der Capkolonie von Südafrika.

Die Unzufriedenheit wuchs aber auch innerhalb der Merina-Händlerkreise ob der Schliessung der lukrativen Importkanäle. Auch die damals noch einflussreichen Franzosen Laborde und De Lastelle wurden bei der Königin vorstellig.

Die L.M.S.-Missionare Cameron und Ellis, als Vertreter der Händler in Mauritius, führten 1853 Gespräche in Tamatave (nach Antananarivo durften sie auf Order der Königin nicht gehen), sie boten reichliche Kompensationszahlungen für die erfolgten Bombardierungen und verlangten als Gegenleistung die Wiederaufnahme des Handels. Man wurde einig: die Häfen waren ab 1853 für den Handel wieder offen, auch für französische Schiffe, obwohl La Réunion nichts bezahlt hatte. Die Vereinbarung untersagte weiterhin den Export von Sklaven.

Sobald Tamatave wieder für den Handel geöffnet war, strömten Schiffe und Händler herbei. Darunter befand sich auch der reiche französische Reeder Lambert, der wie Laborde, De Lastelle und der amerikanische Händler Marks überzeugt war, dass die despotische Königin baldmöglichst abgesetzt werden müsse. Gemeinsam suchten sie Rakoto, den unehelichen Sohn der Königin Ranavalona, von der Notwendigkeit einer baldigen Palastrevolte zu überzeugen. Rakoto bat daraufhin (1854) Napoléon III um eine militärische Intervention, erhielt aber eine Absage. Lambert erneuerte diese Bitte 1856 vor Napoléon, in London und im Vatikan. Doch Frankreich und England, gerade mit dem Krimkrieg beschäftigt, wollten sich nicht gegenseitig übervorteilen.

Trotz des Ausbleibens ausländischer Hilfe planten Lambert, Rakoto, der Befehlshaber der Armee, Laborde und zwei inkognito reisende Jesuiten (Finaz und Webber) 1857 den Komplott gegen die Königin und schritten zur Tat. Mit dabei war auch die österreichische Reisende Ida Pfeiffer. Doch der Armeechef zögerte im letzten Augenblick, wie schon bei einem ähnlichen Plan zwei Jahre zuvor. Der Staatsstreich schlug fehl.

Die wütende und enttäuschte Königin Ranavalona verfolgte und strafte alle beteiligten Madagassen und wies sofort (17. Juli 1857) sämtliche Europäer aus. Auch der von ihr bis anhin geschätzte Laborde musste innerhalb Stundenfrist gehen. Und erneut ging sie auf Christenjagd. Die Christen erlebten noch im gleichen Jahr, wie schon 1837 und 1849 eine weitere Welle der Verfolgung, auch diesmal wurden Christen umgebracht.

Nur eine Minorität profitierte von der Herrschaft der Königin: ihre eigenen Verwandten und jene des Premierministers Rainiharo, dann auch reiche hova und andriana, die als Militärkommandanten den Handel kontrollierten. Sie bereicherten sich schamlos, während das Volk unter Armut, Fronarbeit und Willkürherrschaft litt. So durften per königlichem Dekret ab 1853 nur jene Rinder an Europäer, das heisst in den Export, verkauft werden, die einer kleinen Anzahl Privilegierter gehörten.

Die von Spitzeln durchsetzte Armee, deren Kommandanten sich immer ungehemmter bereicherten, verlor an Autorität. Die durch Hunger und Krankheit dezimierten Merina-Garnisonen in den Provinzen wurden immer häufiger angegriffen. Dagegen reagierte die Zentralmacht mit Razzien, Repression und Strafexpeditionen, ohne jedoch das Land zu beruhigen. Banditismus nahm zu, auch in der Hauptstadt. Im Süden wanderten Teile des Volkes der Antanosy um 1845 300 Kilometer nach Nordwesten ins mittlere Onilahy-Tal aus, um dem Einfluss der Merina-Festung in Fort-Dauphin zu entgehen. Aus denselben Gründen zogen sich die Antaisaka in die Wälder der Südostküste zurück. An der Randzone des Merinareiches bildeten sich richtige Republiken aus entlaufenen Sklaven und geflohenen Zwangsarbeitern. Im Nordwesten Madagaskars baten mehrere Sakalava-Führer Frankreich um Beistand gegen die zunehmende Merina-Dominanz.

Am 16. August 1861 starb die betagte, 75-jährige Königin Ranavalona I. nach 33 Jahren Herrschaft. Sie wurde, wie Andrianampoinimerina und Radama I, auf dem Königshügel in Ambohimanga beigesetzt.

Ihr Nachfolger und Sohn, der 32-jährige Rakoto, bestieg als Radama II den Thron. Radama war mit europäischen Ideen vertraut und hatte wiederholt - wenn auch nicht offen - für die Christen Partei ergriffen. Um ihn scharten sich Raharo und Ralaiarivony (Söhne des 1852 verstorbenen Ministers Rainiharo), Raombana (der Hauslehrer von Radama, ein in England ausgebildeter Historiker). Radama war ein europafreundlicher Träumer, der weder das Organisationstalent von Andrianampoinimerina, noch die kriegerische Ader von Radama I und auch nicht das Durchsetzungsvermögen seiner Mutter Ranavalona hatte. Er fühlte sich eher den musischen Künsten zugezogen und liess sogleich eine Nationalhymne schaffen.

Seine Landsleute brüskierte er mit seinem offensiven Modernismus, der die althergebrachten Traditionen ablehnte oder einfach überging. Er respektierte die sampy nicht und machte keine fandroana (königliches Bad). Radama proklamierte die Freiheit des Denkens und der Religion und erliess eine Generalamnestie für alle inhaftierten Christen. Er schaffte die Giftprobe und die Todesstrafe ab.

Gleichzeitig leitete er auch die totale Öffnung des Landes ein. Sämtliche Zollgebühren wurden abgeschafft. Der Umschwung kam schnell und gründlich. Sogleich strömten die Missionare wieder ins Land. Die französischen Jesuiten (Webber, Finaz) waren die ersten. Auch Laborde kehrte - als Konsul Frankreichs - zurück. Nach fast zwanzig Jahren Absenz kamen auch die englischen Missionare wieder, gefolgt von europäischen Händlern, darunter der zwielichtige französische Geschäftemacher Lambert, dessen schon 1855 ausgehandelte Charte von Radama erneuert wurde und Lambert den Zugang zu allen Bergbauprodukten und zu grossen Landkonzessionen gab - steuerfrei. Lambert wurde 1862 von Radama gar zum offiziellen madagassischen Botschafter ernannt.

Eine englische Delegation, unterstützt von einem Handelsattaché aus Mauritius, besuchte noch 1861 Madagaskar. Auch Frankreich sandte 1862 eine Abordnung mit der Botschaft, dass Napoléon III am Handel mit Madagaskar interessiert sei. Die Nachricht, dass Napoléon Radama II als König von Madagaskar anerkenne, brachten die Franzosen nicht.

1862 schaffte es auch der inzwischen 62-jährige William Ellis von der London Missionary Society bis nach Antananarivo. (Er war 1856  doch noch von der betagten Königin in Ehren und Freundschaft empfangen worden und hatte erstmals mit eigenen Augen Land und Leute gesehen, die er schon Jahre vorher in seinen Büchern kenntnisreich beschrieben hatte.)

Sehr bald entstanden Konflikte und Rivalitäten zwischen Franzosen und Briten, zwischen Katholiken und Protestanten. Die Protestanten konnten auf noch bestehende Glaubensgemeinden zurückgreifen und auf früher gebaute Kirchen, die Katholiken begannen fieberhaft, eigene Gotteshäuser zu bauen. 1867 hatten die Missionen bereits 150 Kirchen erbaut.

Radama II sah sich bald gefangen zwischen den Malsteinen der europäischen Rivalitäten. Er suchte auszugleichen, indem er einen englischen Arzt konsultierte, seine Frau einen französischen, indem er einen katholischen Priester als Geistlichen des Palastes ernannte, aber einen Protestanten als Palastkaplan, indem er an Weihnachten die Messen beider Konfessionen besuchte.

Radama regierte nicht mehr als Alleinherrscher wie seine Vorgänger, sondern setzte eine Regierung ein, ernannte Minister und liess sich von ihnen zum König - in der Uniform eines englischen Marschalls - krönen. Dieser Festakt (1862) zog weitere Handelsdelegationen an, wobei die Franzosen einen für sie günstigen Vertrag unterzeichneten. Den Engländern gestand Radama Ende 1862 einen ähnlichen Vertrag zu.

In den folgenden Monaten begannen sich die Europäer um Landkonzessionen zu reissen: Lambert liess sich in Diégo-Suarez nieder, andere in Vohémar, Maroantsetra.

Der junge König schaffte die Fronarbeit ab und entzog somit dem Staat Arbeitsressourcen. Aus politischen Gründen liess er die Sklavenhaltung bestehen. In Imerina waren zu jener Zeit rund dreiviertel der Bewohner Sklaven, einige hova besassen bis zu 1000 Sklaven. Seinen Wunsch, die 30’000 Mann starke Armee zu reduzieren oder abzuschaffen, konnte er ebenfalls nicht durchsetzen.

Der reformfreudige Radama II sah sich bald einem erheblichen Druck von Seiten der Traditionalisten ausgesetzt und suchte vermehrt Unterstützung bei seinen Jugendfreunden, den menamaso (die Männer mit den roten Augen oder aber von mentra maso einem Wortspiel mit den Bedeutungen: jene, die Angst vor Blicken haben und jene, die menschliche Würde beweisen). Den menamaso vertraute er blind und liess sich immer häufiger von ihnen vertreten. Dadurch gewannen sie an Einfluss und nutzten ihre Position und ihre Macht schamlos aus. Zudem kamen sie aus Merina-Süd, was dem Eid an Andrianampoinimerina widersprach: 'Die Merina des Nordens regieren, die Atsimo (südlichen) respektieren die Befehle.'

Zuviel Niederschläge während der Regenzeit von 1862/63 bewirkten eine schlechte Ernte, dies verursachte einen richtiggehenden Volksaufstand. Die protestierende Landbevölkerung führte die Naturereignisse auf die Nichtrespektierung der Tradition zurück. Sie glaubte und hoffte fest an eine baldige Rückkehr der Königin Ranavalona I mit ihrer antieuropäischen und antichristlichen Politik. Eine Art Cargokult machte sich breit mit Massentanz, Hysterie und Weltuntergangsstimmung, sowie dies auch in anderen Weltregionen bei einem plötzlichen Kontakt zwischen traditionellen Kulturen und europäischen Einflüssen geschah.

Anarchische Zustände begannen sich unter der unzufriedenen und hungernden Bevölkerung auszubreiten. Im März 1863 brach ein richtiger Bürgerkrieg zwischen den menamaso und dem Premierminister Raharo aus. Während des bis Mai dauernden Konfliktes wurden etliche Mitglieder der menamaso umgebracht, viele konnten jedoch entkommen. Es war wohl der Premierminister, der in Einvernehmen mit der Oligarchie die Ermordung Radama veranlasste, um damit den Einfluss der Europäer zu dämmen. Nach keinen zwei Jahren Herrschaft wurde Radama in der Nacht vom 11. auf den 12. Mai 1863 mit einem Seidenlamba erwürgt, denn kein königliches Blut durfte fliessen. Der glücklose Radama II wurde in Ilafy begraben und nicht auf dem Königshügel von Ambohimanga.

Rabodo, die erste Frau des verstorbenen Radama II und Nichte von Ranavalona I, bestieg den Thron unter dem Namen Rasoherina. Sie suchte ein diplomatisches Gleichgewicht zwischen den Traditionalisten und den Modernen zu erreichen. Die Giftprobe (tangena) und die Todesstrafe wurden endgültig abgeschafft, die religiöse Freiheit anerkannt.

Die Königin übernahm ein schweres Erbe. Das Land war erst vor zwei Jahren aus dunklen Zeiten erwacht, um sogleich unter der Springflut des Modernismus begraben zu werden. Die Bevölkerung war orientierungslos, die politische, soziale und militärische Elite suchte ihren Anteil an Einfluss und Reichtum mit allen Mitteln zu erhöhen. Zudem waren die europäischen Händler und Missionare diesmal gekommen, um zu bleiben. Und auch sie suchten ihre Nische an Einfluss und - die Händler jedenfalls - an Reichtum. Die königliche Macht war abgebröckelt. In Wahrheit leitete (seit 1852) der Premierminister Raharo die Geschäfte - als zunehmender Despot. Das Gerücht, Radama II lebe noch, hielt sich hartnäckig, auch die Europäer und insbesonders Laborde glaubten daran. Raharo, womöglich der Initiator des Königsmordes, verfolgte immer aggressiver jene, die diese Gerüchte ausstreuten oder daran glaubten. Sezessionsbestrebungen in den Provinzen begannen sich zu regen.

Wohl eher aus politischem Kalkül heiratete der Premierminister 1863 die Königin, die somit seine zweite Frau wurde. Damit hatten die hova eine weitere Etappe in die Integration in die andriana-Monarchenfamilie gemacht.

Ein Jahr später (1864) übernahm sein Bruder und Rivale Rainilaiarivony in einer Palastrevolte mit Unterstützung von Königin Rasoherina und von einflussreichen Leuten, die Lenkung des Staates und hielt sie bis zum Einmarsch der Franzosen 1895 bei. Er übte auch weiterhin sein Amt als Chefkommandant der Armee aus.

Die Königin Rasoherina starb schon 1868. Die Wahl der Nachfolgerin bestimmte bereits der mächtige Premierminister Rainilaiarivony. Die 39-jährige Königin bestieg 1868 als Ranavalona II den Thron und herrschte bis zu ihrem Tod 1883 15 Jahre lang. Doch die Macht lag in den Händen des einflussreichen Premierministers, die Monarchie hatte nur noch eine Alibifunktion. Die Entscheide der Königin waren in Wirklichkeit jene des Premierministers, des inzwischen 40-jährigen Rainilaiarivony, der die Königin Ranavalona II auch heiratete, ebenso wie 1883 ihre 22-jährige Nachfolgerin Ranavalona III.

Rainilaiarivony war Sekretär der Königin Ranavalona I gewesen, hatte Feldzüge geleitet, er galt als tüchtiger, arbeitsamer, belesener Verwalter mit grosser Erfahrung. Er war fähig, ambitiös und autoritär, immer gut informiert und vorsichtig gegenüber Komplotten. Er kam nie aus Imerina heraus, Europa kannte er nur aus Büchern. Mit ihm wurde das Amt des Premierministers endgültig wichtiger als jenes der Königin. Er glaubte an die Notwendigkeit einer Modernisierung des Staates, doch als Zentralist dachte er kaum ans Wohl von ganz Madagaskar. Im Laufe seiner langen Herrschaft (von 1864 bis 1895) betrachtete er Imerina als Zentrum des Landes, die eroberten Gebiete waren für ihn nur von sekundärer Bedeutung. Damit reihte auch er sich in die Tradition der Merina-Monarchen ein, die in den eroberten Gebieten kaum mehr als Zulieferer von 'Produkten' (Sklaven, Nahrungsmittel, Steuern) für Imerina mit der Metropole Antananarivo sahen. Diese Produkte wurden von den noblen Familien und den Militärs ausgebeutet, aber nicht in eine ökonomische Entwicklung des Landes reinvestiert.

Er unternahm auch keine neuen Eroberungsversuche. So blieben der Süden, der Menabe und Ambongo ausserhalb des Einflussbereiches der Merina. Das Königreich Madagaskar umfasste vielleicht Zweidrittel der Insel, und auch diese Gebiete waren nicht überall wirklich unter Kontrolle.

Aus Imerina stammten die wesentlichen Ressourcen des Staates, dort wurden die Verwalter und das Militär rekrutiert, dort leisteten die Leute die Fronarbeiten für den Staat. Die eroberten Gebiete (tanindrana) wurden mehr oder weniger stark von der Armee kontrolliert. Die Gouverneure und Garnisonen übten nur eine beschränkte Kontrolle über ihr Territorium aus, die Vasallen waren mehr oder weniger loyal. Die stationierten Militärs blieben eine reine Okkupationsmacht, die sich vom Land ernährte und die Bewohner ausbeutete. Desertationen in den Garnisonen waren häufig. Den Soldaten waren die Händler gefolgt. Der Militärposten Fianarantsoa beispielsweise, gegründet 1831 während eines Kriegszuges, entwickelte sich zu einer Stadt, in seiner Anlage Antananarivo imitierend. Die Orte, die sich um die Garnisonen entwickelten, wurden Herde der Moderne, der Verwestlichung, denen sich das umliegende Land aber verschloss. Für die rurale Bevölkerung blieb die Stadt das Zeichen des fanjakana, des Staates, den sie flohen, um keinen Frondienst oder Militärdienst leisten zu müssen.

(Ab 1879 galt in Imerina eine generelle Militärdienstpflicht für alle Männer von 18 bis 25 Jahren.) Die reichen Merina jedoch entzogen sich dieser Order, indem sie die Aushebungsoffiziere bestachen oder Sklaven an ihrer Stelle schickten.

Der Staat bezahlte keine Löhne, seine Finanzen stammten grösstenteils aus den Einkünften der Importsteuern. Steuern, Bussen und 'hasina' (Abgaben an die Königin) brachten nicht viel ein.

1869 wurde der Suezkanal eröffnet, einerseits kam damit Madagaskar ausserhalb der grossen Linie England - Indien, andererseits verkürzte sich die Überfahrt von Europa nach Madagaskar auf einen Monat, dies auch dank dem vermehrten Einsatz der Dampfschiffe.

An den Küsten etablierten sich wieder vermehrt kreolische Colons aus Bourbon, die Kaffee, Nelken, Zuckerrohr und Vanille anpflanzten. Doch sie durften das Land nicht kaufen.

In Imerina bildete sich eine einflussreiche hova-Bourgeosie, die sich die einträglichen Militärkommandos sicherte. Damit hatte sie das Recht zu Requisitionen und konnte sich somit ungehindert bereichern. (Die Dienstgrade waren inzwischen auf 15 erhöht worden.) Diese Schicht lebte nach europäischen Normen, schickte ihre Kinder gar zu Studien nach Europa. Sie besassen hunderte von Sklaven, die ganz reichen sogar tausende.

Doch es gab auch arme hova (Freie), die Steuern zahlen und Fronarbeit leisten mussten. Die Lebensbedingungen der armen hova waren so schlecht, dass die zur Fronarbeit nicht verpflichteten Sklaven zögerten, sich freizukaufen, wenn ihnen dazu die Gelegenheit geboten wurde. Um diesem miserablen Leben zu entgehen, flohen viele freie Männer in die Berge und Randzonen des Reiches und wurden Banditen (fahavalo).

Die Klasse mit dem grössten Ansehen, die andriana (Noble), lebte im Durchschnitt weder besser noch schlechter als die bürgerlichen hova. Den andriana wurde jedoch aufgrund ihrer Ahnen und den Familientraditionen mehr Achtung entgegengebracht und einige Bevorzugungen zugestanden. Doch es gab auch arme andriana, wie ein Spruch jener Zeit sagte: arm wie ein andriana.

Der Premierminister heiratete die protestantisch erzogene Königin Ranavalona II noch im Jahr der Thronbesteigung 1868. Beide liessen sich 1869 konfirmieren und setzten so ein Zeichen. Die Oberklasse folgte dem Beispiel: der Protestantismus wurde zu einer Art Staatsreligion, der Merina-Staat zu einer Art Theokratie. Doch auch unter dem Volk fand dieser Akt Nachahmer, denn angesichts dieses Schrittes der Monarchin weiterhin dem christlichen Glauben fernzubleiben, wurde von vielen Leuten als ein Verstoss gegen den Staat, ja gar als Provokation, empfunden.

1869 durfte mit königlicher Genehmigung eine protestantische Kirche innerhalb der rova in Antananarivo erbaut werden, ein Unternehmen, das noch keine zehn Jahre vorher unter Königin Ranavalona I undenkbar gewesen wäre. Im gleichen Jahr wurden die königlichen Talismane aufgrund eines Erlasses verbrannt, dem Volk wurde nur noch das Aufbewahren der persönlichen Amulette erlaubt. (Damit hatte die Monarchie einen wesentlichen Pfeiler ihrer bisherigen Macht aufgegeben, denn bislang stützte sich ihre gottähnliche Autorität auf die Kontrolle der religiösen Riten und deren Manifestation in Form der sampy.)

Die Offiziere, die als Provinzchefs (manambonimahitra) amteten und keinen Lohn bezogen, sondern nach eigenem Ermessen Steuern und Arbeitsdienst fordern durften und sich dadurch schamlos bereicherten und zudem aktiv im Handel tätig waren, erhielten vom Königshof eine zusätzliche Aufgabe: sie sollten noch als Evangelisten tätig werden. Dadurch wurde Verwaltung und Kirche quasi eins. Das Volk in den eroberten Provinzen interpretierte dies etwa nach folgender Formel: Merina-Unterdrückung gleich Protestantismus.

Der Premierminister Rainilaiarivony zog die Engländer den Franzosen vor. So half der englische Colonel Willoughby ab 1883, die Merina-Armee zu reorganisieren.

Der Katholizismus entwickelte sich zu einer Angelegenheit des ärmeren Bevölkerungsteils. Fianarantsoa wurde zu einer Hochburg der katholischen Mission. Seit 1861, unmittelbar nach dem Tod von Königin Ranavalona I, wirkte die katholische Mission in Madagaskar, 1866 kamen norwegische Missionare und später noch weitere Bekenntnisse. Eine Medizinschule wurde unter kirchlicher Leitung gegründet. 1864 wurde ein Spital in Analakely eröffnet.

Ein Gegengewicht zum dominierenden Protestantismus in den höheren Kreisen der Merina-Gesellschaft bildete die Nichte des Premierministers: Victoire Rasoamanarivo blieb katholisch. (Sie wurde 1989 anlässlich des Papstbesuches in Madagaskar selig gesprochen.)

Doch mit dem Vorbild der Königin Ranavalona II befand sich die L.M.S. eindeutig im Aufwind: 1895 fanden sich 289’000 L.M.S.-Protestanten gegenüber 235’000 Christen anderer Bekenntnisse.

1876 wurde eine generelle Schulpflicht verordnet, nur sechs Jahre nach dem gleichen Entscheid in Grossbritannien. Mangels Schulen und Lehrern blieb diese Initiative allerdings fiktiv. Der Unterricht wurde nach wie vor von den Kirchen organisiert. Die Missionsstationen befanden sich vor allem in Imerina, und die Schulen waren noch stark auf die Hauptstadt konzentriert.

1874 wurden aufgrund eines Dekrets der Königin die seit 1865 aus Mozambique nach Madagaskar (pro Jahr etwa 8000 Leute) importierten Sklaven frei, das Dekret trat aber erst 1877 in Kraft.   

(Ein generelles Verbot der Sklavenhaltung wurde erst 1896 nach der französischen Invasion erlassen.)

Der Premierminister versuchte auch die Staatsorganisation zu reformieren: er bildete 1881 eine konstitutionelle Monarchie mit einer Regierung aus acht Ministerien,  bestrafte schuldhafte Funktionäre, schaffte die Sippenhaft ab. Unter den alten Militärs ernannte er die sakaizambohitra (Freunde der Dörfer), die den Premierminister in den Dörfern als eine Art Bürgermeister vertreten sollten in Sachen Kontrolle und Administration. 1884 übertrug der Premierminister in Imerina wesentliche Elemente der Verwaltung und der öffentlichen Ordnung, einschliesslich der Polizeigewalt, den fokonolona (Dorfgemeinschaften). Zudem erliess er den 'code des 305 articles', die erste geschriebene gesetzliche Grundlage des Merinastaates.

Alle seine Bemühungen und Reformen (Abschaffung der Giftprobe und der Polygamie) blieben aber immer auf ihn selbst zentriert, somit langwierig und auf Dauer nicht haltbar. Wie eine Spinne hielt er alle Fäden der politisch-administrativen Verwaltung und des Militärs in den Händen.

Rainilaiarivony, Chef der Funktionäre, oberster Militärchef, Direktor der Königsberater und Ehemann der drei letzten Königinnen, schaffte es nicht, das Reich allein zu verwalten. Der Diktator Rainilaiarivony, Mitglied der hova-Familie der Andafiavaratra, wurde aber auch von den andriana in allen Bereichen boykottiert.

In den letzten zehn Jahren seiner Herrschaft wurde Rainilaiarivony immer despotischer und verunmöglichte die Besetzung von Staatsstellen durch junge, fähige Kader. Obwohl die Königin Ranavalona III als Monarchin weithin und insbesonders in Imerina anerkannt war, wurde die Regierung und ihre Vertreter von einer breiten Volksmasse als korrupt und repressiv gewertet.

Aussenpolitisch legte er sich - wie schon Ranavalona I - mit Frankreich an. Das Erbe von Jean Laborde, der 1878 in Antananarivo starb, bildete den Anlass zu einem erneuten Streit mit Frankreich. Dazu kam, dass Rainilaiarivony die Gültigkeit der zu einem französischen Protektorat erklärten Region von Sambirano anfocht. Ebenso entscheidend war, dass ein Abgeordneter der Insel La Réunion (François de Mahy) Marineminister geworden war und sich damit am Schalthebel für militärische Aktionen befand. (La Réunion suchte nach wie vor eine stabile Dominanz über Madagaskar zu erreichen.)

Eine madagassische Delegation fuhr nach Paris, konnte aber den Streit nicht schlichten. 1882 erfuhr die madagassische Abordnung in London, dass England im Fall eines französisch-madagassischen Konflikts nicht für Madagaskar intervenieren würde. (England hatte seine Basen in Mauritius und Ostafrika fest im Griff und hatte das Interesse an Madagaskar verloren.)

Die Botschafter reisten weiter in die USA, dann nach Deutschland, doch keine Macht wollte als Vermittler oder gar Protektor auftreten.

1883 attackierten die Franzosen ein paar Häfen in der Gegend von Mahajanga, dann auch die Stadt Mahajanga. Die Sakalava fassten dies als Unterstützung gegen die Merina auf und waren begeistert, dies bedeutete jedoch nicht, dass sie sich den Franzosen unterordnen wollten.

Mit Zustimmung der Königin wies der Premierminister die Franzosen - Händler und Missionare - aus. Einen Monat später beschossen französische Kriegsschiffe einzelne Häfen an der Ostküste und verschonten auch Tamatave nicht. Doch dem Merina-Kommandanten Rainandriamampandry und dem südafrikanisch-englischen Militärberater Willoughby gelang es, den Vormarsch der französischen Landungstruppen zurückzuschlagen, die sich in Tamatave verschanzten, unterstützt von einer Seeblockade. Der Abnützungskrieg mit gelegentlichen Bombardements ging 1884 und 1885 weiter.

Zur gleichen Zeit (1883) starb die Königin Ranavalona II. Der Premierminister Rainilaiarivony wählte und heiratete die 22-jährige Prinzessenwitwe Razafy, die als Ranavalona III den Thron bestieg.

Aus Angst vor einer Volksrevolte musste sich der Premierminister 1885 doch noch mit den Franzosen arrangieren. Madagaskar wurde in gewisser Weise ein französisches Protektorat. In einem Abkommen anerkannte Frankreich die Souveränität der Königin über ganz Madagaskar. Doch die Aussenpolitik Madagaskars sollte fortan von Frankreich wahrgenommen werden. Dieser Punkt beruhte jedoch auf einer Unklarheit im Vertragstext, der in madagassischer und französischer Fassung vorlag, und führte dann prompt zu diplomatischen Schwierigkeiten. In diesem Abkommen erhielt Frankreich zudem das Recht, einen Vertreter in Antananarivo mit 50 französischen Soldaten zu stationieren und sich in Diégo-Suarez zu installieren, wo sich schliesslich eine französische Garnison und ein Gouverneur festsetzte. Madagaskar wurde gezwungen, einen Schadenersatz von 10 Millionen Francs zu bezahlen. Die Franzosen hatten dabei das Recht, Tamatave bis zur vollständigen Zahlung dieser Summe zu besetzen und Zollgebühren zu kassieren.

Der Premierminister suchte und fand britisches Kapital, um Tamatave frei zu bekommen, doch der residente Vertreter Frankreichs, Le Myre de Vilers, widersetzte sich diesem Vorhaben und vermittelte ein französisches Darlehen von 15 Millionen Francs zu ungünstigeren Konditionen. Doch der Premierminister hatte keine Wahl, er akzeptierte die französische Offerte, somit ging die Hafenstadt 1887 wieder in madagassische Hände über. Der Schuldenberg lastete fortan schwer auf dem madagassischen Staat, der in seiner Not immer wieder neue Sondersteuern vom Volk verlangte. Damit wurde die ohnehin wacklige Imerina-Monarchie noch weiter geschwächt. Madagaskar schlitterte dem ökonomischen Ruin entgegen.

Die verstärkte Präsenz Frankreichs führte dazu, dass Madagaskar erneut ein starker Anziehungspunkt für Siedler und Händler aus Frankreich und aus La Réunion wurde, rund 30 Landkonzessionen wurden zwischen 1885 und 1895 an Ausländer vergeben. Seit Jahrzehnten hatten die Zuckerbarone von La Réunion auf die Landreserven Madagaskars geschielt, um sie als Ventil für die petits blancs von La Réunion, die einen schwelenden sozialen Unruheherd bildeten, zu nutzen. Aber auch Amerikaner kamen ins Land, Engländer und Deutsche (Die Firma Oswald und die Deutsche Ostafrikanische Gesellschaft; 1883 war zwischen Deutschland und Madagaskar ein Handelsvertrag unterzeichnet worden).  Plantagen entstanden, Zucker- und Rumfabriken wurden gebaut.

Le Myre de Vilers, der residente Vertreter Frankreichs in Antananarivo, arbeitete energisch, um die Bande zwischen Madagaskar und Frankreich zu festigen. Er schickte junge Madagassen zu Studien nach Frankreich und holte französische Techniker ins Land. Einer militärischen Aufrüstung Madagaskars widersetzte er sich heftig.  Auch er baute seine Residenz: nebst der rova der Königin auf dem höchsten Punkt der Stadt, dem fast gleich hohen Palast des Premierministers und den etwas tiefer gelegenen Kirchen entstand die französische Residenz auf halber Höhe zwischen den Reisebenen und der rova.

1894 hielt Le Myre de Vilers die Zeit reif, um Madagaskar dem 'Mutterland' vollends einzuverleiben. Doch der Premierminister widersetzte sich eisern dem französischen Vorschlag, Madagaskar mit militärischer Okkupation in ein französisches Protektorat zu verwandeln. Der Plan wurde ihm 1894 ultimativ von Le Myre de Vilers vorgelegt. Demonstrativ reiste Le Myre de Vilers am 27 Oktober 1894 ab und nahm die französische Fahne mit.

Frankreich wusste um seine freie Hand. 1884/85 hatte die Berliner Kongo-Konferenz den afrikanischen Kontinent unter wenige europäische Mächte aufgeteilt. Dieses Gentlemen's Agreement wurde 1890 durch den Zansibar-Vertrag erweitert: England trat Frankreich seine Interessen an Madagaskar ab und sicherte sich dafür die Inseln Zansibar und Pemba. Dieser Vereinbarung stimmte auch das Kaiserreich Deutschland zu, das Helgoland erhielt.

Dieses Mal begnügte sich Frankreich nicht mit dem Beschiessen von See aus, sondern sandte 15’000 Mann unter dem Kommando von General Duchesne. Die Kampfkraft des Merinareiches war von den Europäern dramatisch überschätzt worden, wie sie auch die Modernisierungsbemühungen des Premierministers letztlich fehl eingeschätzt hatten. Beim Einmarsch der Franzosen stand das Merinareich kurz vor dem Scheitern, ein Staatsstreich lag seit längerer Zeit in der Luft.

Noch im Dezember 1894 wurde Tamatave bombardiert. Die Flotte zog allerdings weiter an die Nordwestküste. Am 14. Januar landeten die Franzosen in Mahajanga. Die madagassische Armee war weder vorbereitet noch kampffreudig. Zudem hatten nicht wenige der Festungskommandanten Waffen und Ausrüstungen profitabel verkauft. Einzig beim Hügelzug von Andriba, der sich 160 Kilometer nördlich von Antananarivo wie ein Riegel 900 m über die Ebene erhebt, stellte sich die madagassische Armee einem kurzen Gefecht, ohne jedoch den Franzosen ernsthaft Stirn bieten zu können. Die grössten Gegner während des Marsches blieben das unwegsame Gebiet und Krankheiten: sie forderten mehr als 5000 Tote gegenüber 25 im Gefecht Gefallenen. Um das mühsame Vorankommen mit den schweren Transportwagen zu beschleunigen und die Hauptstadt noch vor der Regenzeit einzunehmen, wurde ein Vorausdetachement von 4500 Mann gebildet, das am Montag,  dem 30. September 1895, den Königshügel von Antananarivo unter Beschuss nahm. Eine halbe Stunde nach Beginn der Kanonenbeschiessung liess die Königin die weisse Fahne hissen und unterzeichnete am folgenden Tag den Kapitulationsvertrag.

Der Premierminister wurde abgesetzt und im Februar 1896 ins Exil nach Algerien geschickt, wo er nur fünf Monate später starb.

Auch die Königin Ranavalona III musste ein Jahr später ins Exil nach Algerien, wo sie am 20. Mai 1917 als 71-jährige starb. Ihr Leichnam wurde erst 1938 unter grossen Festlichkeiten nach Antananarivo überführt und auf der rova beigesetzt.

Der Einmarsch der Franzosen beendete die Dominanz der Merina-Könige aus Ambohimanga, die rund hundert Jahren vorher zu Beginn des 19. Jahrhunderts aufgebrochen waren, um Merinaland und danach (fast) ganz Madagaskar unter ihre Kontrolle zu bringen. Doch auch den schwer bewaffneten Franzosen gelang es in den verbleibenden Jahren des 19. Jahrhunderts nicht mehr, Madagaskar unter ihre Herrschaft zu bringen. Auch ihre auf militärischer Gewalt beruhende Macht scheiterte an den riesigen Dimensionen des Landes und am Unabhängigkeitswillen der Bewohner. Erst die brutale Durchsetzung von Macht, Zucht und Ordnung machte das Land und seine rund drei Millionen Einwohner scheinbar gefügig.

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Der Ethnologe Franz Stadelmann kam 1988 als Entwicklungshelfer nach Madagaskar. 1994 gründete er das madagassische Reisebüro PRIORI in Antananarivo. PRIORI organisiert Reisen mit mehr Hintergrund und tieferen Einblicken in die Licht und Schatten dieser Insel im Indischen Ozean. 'Sanftes Reisen' soll den BesucherInnen als auch den Besuchten gegenseitiges Verständnis erwecken. PRIORI engagiert sich auch sehr im sozialen und kulturellen Leben Madagaskars. PRIORI steht für Ihre Reisepläne gern zur Verfügung - auch in deutscher Sprache.

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Madagaskar, das PRIORI-Buch

Franz Stadelmann

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