Umwälzungen
der 1990er Jahre
Zu
Beginn der 1990er Jahre waren weite Teile der Bevölkerung
ohne Illusion: die madagassische Revolution war ohne Früchte
geblieben - im Gegenteil. Doch Ratsiraka, ein geschickter
Taktiker, schaffte es immer wieder, die oppositionellen Kräfte
für sich einzubinden - und mit Posten und Ämtern zu
locken. So auch den alten Haudegen aus dem Süden, Monja Jaona,
ebenso wie den wortreichen Pastor Richard Andriamanjato und den
einst strammkommunistischen, dann ultraliberalen Soziologen
Manandafy Rakotonirina. Zudem formierte sich trotz des
Missmanagements unter Ratsiraka Zweiter Republik keine geeinte
Opposition.
In
den vorangegangenen Jahren war 'das Volk' dem Präsidenten
gefolgt, weil der Staat (fanjakana) in Madagaskar generell als 'ray
aman-dreny' (Vater und Mutter, sinnbildlich für
Familienversorger) betrachtet wird, der für das Wohl seiner
Kinder sorgt. Zudem neigen die Madagassen im allgemeinen, im
Sinne der Harmonie und aus Scheu vor Konflikten dem Weg des Mächtigeren
zu folgen. Doch wenn eine bestimmte Schwelle überschritten
wird, schlägt die Gefolgschaft brüsk in Revolte um. Dies
war in der Geschichte Madagaskars 1929 so, 1947 ebenso und auch
1972. Interessanterweise geschahen diese Umbrüche immer im
Monat Mai. So sollte auch der Mai 1991 einen Platz in der Reihe
der Eckdaten Madagaskars erhalten. Als Ort der Manifestationen
in Antananarivo wurde der Platz des 13. Mai gewählt,
benannt in Erinnerung an die Erschiessung von Studenten (1972).
Die Manifestationen auf diesem symbolischen Ort wurden sogleich
als Zeichen der Verbundenheit mit der Vergangenheit gewertet und
fanden dadurch auch eine Legitimation.
So
sollte 1991 zum Jahr der Umwälzungen und Änderung
werden. Vorangegangen war der Bruch der FNDR-Koalition von 1990.
Mehrere Parteien gingen in Opposition, neue Parteien wurden gegründet,
so die PSD unter Resampa, die sich bald in verschiedene
Tendenzen spaltete. Die verbliebenen Regierungstreuen formierten
sich mit der AREMA zur MMSM (Mouvement Militant pour le
Socialisme Malagasy).
Der
ökumenische Kirchenrat (FFKM) organisierte im August 1990
eine erste 'concertation nationale des forces vives' und
versammelte 428 Vertreter aller Landesteile, gefolgt von einer
weiteren Sitzungsrunde im Dezember 1990. Die Organisation und
Leitung dieser Versammlungen sah der FFKM (conseil chrétien des
églises de Madagascar; ein 1980 erfolgter ökumenischer
Zusammenschluss von ECAR, Eklezia Episkopaly Malagasy, FJKM, FLM)
als Aufgabe innerhalb seiner Rolle als Vermittler zwischen 'Volk
und Macht'.
Die
Versammlungen erliessen eine Reihe von ökonomischen,
sozialen und kulturellen Resolutionen. Die wichtigste
Resolutionen betraf allerdings die Politik: Zurückweisung der
Verfassung, Verlangen nach Gewaltentrennung, Limitierung der
Amtszeit des Präsidenten auf zwei Mandate von je fünf
Jahren, Ausarbeitung einer neuen Verfassung unter einer Übergangsregierung
(gouvernement de transition) von zwei Jahren, gefolgt von einem
Eintritt in die Dritte Republik.
Eine
nationale Konferenz aller politischen Gruppierungen sollte ein
Reformprogramm diskutieren.
Diese
Sitzungsergebnisse bildeten die Funken im Pulverfass Madagaskar.
Doch die Explosion kam nicht - sofort.
In
erster Linie galt es, die Getreuen um sich zu scharen und die
Allianzen abzuklären. Als Sammelpool für die Oppositionskräfte
bot sich die Kirche an. Die zur Wahlbeobachtung 1989 gegründete
CNOE spielte weiterhin eine wichtige Rolle in der Aufklärung
der Bürger über ihre demokratischen Rechte. Dabei sah sich die
CNOE nicht - wie vom Ratsiraka-Innenminister Ampy Portos
behauptet - als Oppositionspartei, sondern als überparteiliche,
neutrale Organisation. Das wichtigste Mitglied der von
kirchlichen Kreisen stark unterstützten CNOE war Madeleine
Ramaholimihaso, die Ehefrau des Herausgebers der Tageszeitung
TRIBUNE. (Diese sehr reiche Familie kontrolliert wesentliche
Teile der Volkswirtschaft.)
Ratsiraka
seinerseits hatte ebenfalls eine Revision der Verfassung
vorbereiten lassen. Am 31. Mai 1991 liess er seinen Vorschlag
einer Verfassungsänderung der Assemblée Nationale
vorlegen: die Leitdevise: 'Tanindrazana - Tolom-piavotana -
Fahafahana' (Vaterland, Revolution, Freiheit) sollte zwar geändert
werden und nur noch zweimal wurde auf das 1975 von Ratsiraka
vorgelegte boky mena (rotes Buch) und auf die 'Charte de la révolution
socialiste' Bezug genommen, was einem Abschied von der
sozialistischen Staatsdoktrin gleichkam. In der vorgeschlagenen
Verfassungsänderung wurde jedoch das starke präsidiale
Regime beibehalten - wenn nicht gar verstärkt. Der Präsident
(mit einem 7-jährigen Mandat) sollte zusammen mit den CSR
und der Regierungsmannschaft die Exekutive gemäss Artikel
47 der Verfassung von 1975 bilden. Die umstrittene Institution
des Conseil Suprême de la Révolution (CSR) sollte in eine Art
Senat zu einem Conseil Suprême de la République umgewandelt
werden und nur noch eine konsultative Rolle gegenüber dem Präsidenten
der Republik innehaben. (Seit Jahren schon nannte die
Volkssprache den CSR: çà sert à rien (das taugt nichts).)
Das
Comité militaire pour le développement (CMD) wurde im
Verfassungsentwurf als dritte Instanz des Staates beibehalten.
Die
Presse beurteilte diese Verfassungsreform zwar als eine
Ausmistung überalterter Strukturen, vermisste aber eine
grundlegende Neugestaltung des politisch-administrativen
Systems.
Der
Funke zündete nicht in den Sphären der
Oppositionspolitiker, sondern auf der Strasse. Erstmals Ende Mai
und dann ab dem 10. Juni 1991 begannen tägliche
Demonstrationen, die in sieben Runden die Mauer von Jericho
(gleich die aktuelle Verfassung) brechen wollten. Die siebte
Runde versammelte in Antananarivo tausende von Demonstranten auf
der Strasse, das Staatsradio RTM meldete zweitausend
Manifestanten, der Oppositionspolitiker Constant Raveloson (MFM)
sprach von 200’000. Demonstrationen wurden auch in anderen Städten
der Provinzen organisiert. In Fianarantsoa griff die Polizei
ein. Die Manifestanten der Strasse nannte sich sehr bald 'hery
velona' (forces vives), sie wurden von 16 Oppositionsparteien
unterstützt. Doch die Mauern von Jericho hielten dem
Volksaufmarsch weiterhin stand. (Der Präsident der Ersten
Republik, Tsiranana, hatte bei weit geringeren Manifestationen
seinen Posten innerhalb von Tagen geräumt.)
Zu
dieser Zeit befand sich Ratsiraka bei der jährlichen
OUA-Sitzung in Abuja (Nigeria), dann in Paris, die geplante
Reise nach Pjöngjang (Nordkorea) sagte er ab, hatte aber
auch keine Eile, nach Madagaskar zurückzukehren. In Paris
äusserte er sich in gewohnter Überheblichkeit gegen
eine nationale Konferenz und gegen vorgezogene Wahlen. Erst am
15. Juni, dem 16. Jahrestag seiner Machtergreifung, flog er ein.
Die
Demonstrationen gingen weiter. Die FFKM suchte zu vermitteln,
wurde denn auch endlich von Ratsiraka empfangen (was er seit
August 1990 verweigert hatte). Am 20. Juni stellten die hery
velona (forces vives) eine provisorische Regierungsequipe vor,
die eine nationale Konferenz vorbereiten und mit Ratsiraka
verhandeln sollte.
Auf
dem Platz des 13. Mai waren immer wieder die Schlagworte
firaisankina (Solidarität), fihavanana (Familie) und
firaisam-pirenena (nationale Einheit) zu hören. Diese
wichtigen Worte in der madagassischen Politik zeigten, dass die
Volksmassen keinen gewalttätigen Umsturz suchten, aber doch
eine baldige Veränderung wünschten.
Führer
der ersten Stunde waren: Pasteur Richard Andriamanjato (der auch
den Ausdruck der sieben Mauern von Jericho geprägt hatte)
mit seiner AKFM-Renouveau (ehemals kommunistisch, jetzt mit
liberaler Tendenz), Manandafy Rakotonirina (auch seine MFM hatte
einen erstaunlichen Rechtsschwenker gemacht) und der
Medizinprofessor Albert Zafy, der im April 1990 seine Partei
UNDD (Union nationale pour la démocratie et le développement)
gegründet hatte, nachdem die Schaffung von Parteien ab März
1990 erlaubt worden war. Ein 30-köpfiges 'cabinet de
transition' wurde beauftragt, eine neue Verfassung auszuarbeiten
und Wahlen vorzubereiten. Ratsiraka anerkannte dieses Gremium
nicht. Eine Gegendemonstration der MMSM formierte sich im Park
von Ambohijatovo.
Der
26. Juni, der Nationalfeiertag, wurde an zwei verschiedenen
Orten gefeiert. Ratsiraka liess seine Armee im Stadion von
Mahamasina an sich vorbeimarschieren, während nur einen
Kilometer entfernt auf dem Platz des 13. Mai zehntausende von
Oppositionellen den Feiertag begingen und Angst hatten, dass die
vorbeifliegenden Militärjets Bomben auf die Menschenmenge
werfe würden, wie ein hartnäckiges Gerücht verbreitet
hatte.
Die
Streiks und Manifestationen zogen sich auch nach dem
Nationalfeiertag unvermindert dahin, in Antananarivo immer auf
dem 'Place du 13. Mai 1972' auf der Avenue de l'Indépendance,
ausser am Markttag (Freitag), wenn diese breite Strasse von
Marktfahrern belegt war. In Tamatave kam es zu Plünderungen von
5 Geschäften, wobei 2 der Geschäfte Indern gehörten.
Die grosse und reiche indische Gemeinde begann sich zu sorgen,
denn die Inder waren in vergangenen Zeiten immer die erste
Zielscheibe von Ausschreitungen (so etwa 1987) gewesen.
Zusammenstösse gab es auch im Südosten der Insel, in
Tamatave wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.
Allmählich
beteiligten sich auch die Mitarbeiter von grösseren
Unternehmen an den Demonstrationen. So machten am zweitägigen
Generalstreik vom 3. und 4. Juli nicht nur die Beamten, sondern
auch die Angestellten der Air Madagascar, der Banken und der
Eisenbahn mit. Als Ratsiraka noch immer schwieg, wurde der
Generalstreik vom 8. Juli an wieder unbegrenzt aufgenommen, die
Massen auf dem Place du 13. Mai erreichten 400’000 Leute. Die
FFKM, als ray aman-dreny führte diskrete Gespräche mit der
MMSM und den forces vives. Die Regierungspartei MMSM (Mouvement
Militant pour le Socialisme Malgache) stellte sich nur zögernd
einem Gespräch mit den forces vives der Opposition.
Doch
Ratsiraka blieb in seinem Palast von Iavoloha noch immer still
und stumm.
Die
MFM (Parti pour le pouvoir prolétarien; ehemals marxistisch,
jetzt liberal) unter dem Soziologieprofessor Manandafy
Rakotonirina scherte aus der Bewegung der Forces Vives aus, um
in direkte Verhandlungen mit der bestehenden Regierung zu
treten. In der Folge lavierte die MFM in einem eigenen Kurs und
spaltete sich von den forces vives ab: fortan gab es die force
vives Rasalama (benannt nach ihrem Versammlungsort, dem
Gymnasium Rasalama) und den forces vives de Madagascar unter
Manandafy Rakotonirina. Doch die Macht der Strasse blieb.
Man
verlangte eine Nationalkonferenz, die Ausarbeitung einer neuen
Verfassung, die Abschaffung der charte de la révolution
socialiste von 1975, die Reform des Wahlgesetzes und die
Organisation neuer Wahlen. Und immer klarer und deutlicher: das
Zurücktreten des Präsidenten Didier Ratsiraka, der
inzwischen höhnisch Radidier I (König Didier der
Erste) genannt wurde.
In
der vom Komitee der forces vives ernannten Übergangsregierung
(Gouvernement de Transition) wurde am 16. Juli der
Medizinprofessor Albert Zafy zum Regierungschef
(Premierminister). Der am 1. Mai 1927 in Betsiaka (östlich
von Ambilobe, Provinz Diégo-Suarez) geborene Zafy war während
der Regierung von Ramanantsoa von 1972 bis 1975
Gesundheitsminister gewesen (während Ratsiraka
Aussenminister war), hielt sich dann aber ab 1975 unter
Ratsiraka aus der aktiven Politik heraus. Er galt als das einzig
'politisch sauberes' Mitglied der Führungsequipe der forces
vives. (Manandafy und Andriamanjato hatten sich in den
vergangenen Jahren immer wieder in Ratsiraka Politik einspannen
lassen.)
Der
pensionierte General Jean Rakotoharison wurde zum Staatschef (Präsident)
der Forces Vives ernannt. Er galt als volksnaher, etwas grobschlächtiger
Bauerngeneral, der bis 1985 Stabschef der Streitkräfte
gewesen war. Er hatte sich während der Kung-Fu-Affäre
(1984) geweigert, gegen die demonstrierenden Massen gewaltsam
vorzugehen. (Anlässlich der Besetzung der Radiostation von
Mai 1990 war er von den jugendlichen Besetzern als neuer
Staatschef ausgerufen worden - ohne, wie er beteuerte, davon
gewusst zu haben.)
Der
ehemalige Premierminister (bis Februar 1988; abgelöst durch
Victor Ramahatra), General Désiré Rakotoarijaona, wurde als Präsident
des CMD (Comité Militaire pour le Développement) entlassen,
worauf er anfangs Juli aus der AREMA austrat und sich am 20.
Juli ebenfalls hinter die forces vives stellte.
Die
Position der Armee, der entscheidende Machtfaktor, blieb unklar.
Die Armee umfasst 21'000 Mann, zusätzlich kommen die 7500
Mann starke paramilitärische Gendarmerie. Am 18. Juli veröffentlichten
15 Generäle ein Communiqué, das die Ethik der Militärs
hervorhob. Ob dies für oder gegen Ratsiraka gerichtet war,
blieb unklar.
In
zwei Communiqués am 10. und 18. Juli forderte General Jean
Rakotoharison den Präsidenten Ratsiraka auf, die Macht zu
übergeben. Die Antwort war Schweigen.
Ein
zu den Feiern des 14. Juli (französischer Nationalfeiertag)
eingeflogener Emissär der französischen Regierung
unterhielt sich mit beiden Seiten. Er konnte die Situation nicht
deblockieren.
Albert
Zafy stellte am 22. Juli, nach Wochen des Streiks (Banken,
Tankstellen, Air Madagascar, Ministerien), ein von den Forces
Vives mit sechs Ministern bestelltes Schattenkabinett vor,
darunter - als wichtigste Ministerien - die neuen Vorsteher des
Finanz- und des Innenministeriums. Noch am gleichen Tag
versuchten die neuen Minister, unterstützt von Demonstranten,
ihre Ministerien zu besetzen. Militärs verwehrten ihnen den
Zugang. Doch es kam zu keinen Ausschreitungen. Die Taktik war
klar: Besetzung der Ministerien und Installieren von neuen
Ministern, um dadurch die Isolierung von Ratsiraka zu erzwingen.
Der
Platz von Antaninarenina, wo sich das Postministerium, das
Finanzministerium, das Ministerium für Industrie und Minen (MINEM)
und das Ministerium für Kultur und Kommunikation befinden, war
voll Leute am 22. Juli. Dem 'neuen' Minister Jean Jacques
Rakotoniaina (PSD) gelang es, ins Industrieministerium
einzuziehen, das Gebäude war früher der ehemalige Sitz der
Partei PSD. Das Postministerium wurde ebenfalls übergeben, der
neue Minister Jonarivelo ersetzte Pierre Simon. Bei den anderen
Ministerien waren die Schlüssel nicht auffindbar!
Am
folgenden Tag (23. Juli) wurden zwei forces vives Minister (PTT
und MINEM) verhaftet. An diesem Tag - nach sechs Wochen
Demonstrationen - verkündete der Premierminister Victor
Ramahatra den Notstand (état d'urgence) über das ganze Land
und eine nächtliche Ausgangssperre für die Provinz von
Antananarivo. Ratsiraka schwieg weiterhin. Auf dem Place du 13.
Mai wurden weitere Minister ernannt, unter anderem die
Ministerin für Travaux Publiques, eine Ingenieurin und die
Ehefrau des Pastors Richard Andriamanjato. Erstmals war ein
Panzer vor dem Hauptsitz der BFV-Bank zu sehen, der sich dann
aber nachmittags zurückzog. Es kam am 23. Juli zu Tränengaseinsatz
vor dem Justizministerium.
Der
24. war ruhig, der Versuch, die Radiostation zu besetzen,
scheiterte. Die Zeitungen erschienen nicht mehr, aus Protest
gegen die erneute Pressezensur.
Am
25. gab es wieder - zensurierte - Zeitungen, die nächtliche
Ausgangssperre wurde nicht eingehalten, auch das
Versammlungsverbot nicht. Sogar die Regierungspartei MMSM hielt
in einem Stadium eine Versammlung ab. Die Bauministerin der
forces vives wurde am 25. Juli Gewalt entführt, Albert Zafy am
27. Juli verhaftet.
Am
Samstag 27. Juli fand in Antananarivo eine grosse Trauerfeier für
den oppositionellen Studentenführer Gabriel statt, der in
Tamatave von einem Speer durchbohrt worden war.
Erst
am Sonntag 28. Juli brach Ratsiraka in einer Radio- und
Fernsehansprache sein wochenlanges Schweigen. Er löste
seine Regierung unter Victor Ramahatra auf und ging auf fast
alle von der FFKM vorgeschlagenen Konditionen ein: Errichtung
einer neuen Regierung zusammen mit der Opposition, die noch vor
Ende Jahr eine neue Verfassung erarbeiten sollte; Referendum vor
Jahresende; Revision des Wahlgesetzes. Doch er trat nicht zurück.
Radio
Madagaskar (RTM) befand sich in den Händen von
regierungstreuen Journalisten, die direkten Abendnachrichten des
französischen Senders Antenne 2 wurden nicht mehr
ausgestrahlt. Die beste Information blieben die ausländischen
Radiosender. Doch auch die nationalen Zeitungen erschienen
wieder.
Die
Demonstrationen gingen am Montag 29. Juli weiter. Die drei
verhafteten Minister, der von der Opposition designierte
Premierminister Albert Zafy und Rakotovao Lyms (ein Mitglied der
politische Abteilung der forces vives) wurden am Montag 29. Juli
wieder freigelassen. Es zeigte sich, dass die Konzessionen
Ratsiraka nicht mehr genügten: die Versammlung vom Dienstag 30.
Juli verlangte klar und deutlich seinen Rücktritt. Zudem wurde
die Aufhebung des Ausnahmezustandes als unabdingbare Kondition
zur Aufnahme von Gesprächen erklärt. An dieser
Versammlung, immer auf dem Place 13 Mai, berichteten die
inzwischen Freigelassen von ihren Festnahmen und Verhören.
Sie seien korrekt behandelt worden. Immer mehr Provinzen
schlossen sich der Oppositionsbewegung an.
Am
Dienstag 30. Juli gab Ratsiraka eine Pressekonferenz in Iavoloha,
dort machte er deutlich, dass er keineswegs daran denke zurückzutreten,
nur weil ein paar tausend Demonstranten in Antananarivo auf der
Strasse seien. Zudem, so sagte er, würde sein Rücktritt die
nationale Einheit gefährden. Er anerkannte das
oppositionelle 'gouvernement de transition' weiterhin nicht an,
stellte jedoch ein 'gouvernement de réconciliation' (Regierung
der Aussöhnung) in Aussicht. Die madagassischen Medien
waren von dieser Pressekonferenz ausgeschlossen. So blieb RFI
mit ihrem Sonderkorrespondenten, Jean Hélène, die wichtigste
Informationsquelle für Madagaskar. Antenne 2 wurde auch am
Dienstag nicht gesendet, stattdessen der Film 'Ben Hur'.
General
Rakotoharison antwortete auf die Äusserung Ratsiraka, dass
der Generalstreik weitergehe, bis zur Abdankung des Präsidenten.
Am 7. August wurde die Tour der Botschaften gemacht: besucht von
Vertretern der forces vives und begleitet von tausenden von
geduldigen Demonstranten wurden die diplomatischen Repräsentationen
in der Umgebung des Platz des 13. Mai besucht: Frankreich, USA,
Schweiz, Indien und Indonesien, ebenso wie einige UNO-Agenturen.
Verlangt
wurde ein Abbruch der Beziehungen zum Ratsiraka-Regime.
Am
Donnerstag, 8. August wurde der Name des neuen Premierministers
bekanntgegeben: Guy Willy Razanamasy, ehemaliger Apotheker und Bürgermeister
von Antananarivo. Trotz seines guten Rufes als Vermittler wurde
er von den forces vives abgelehnt, weil sie schlichtweg die
Demission des Präsidenten verlangten.
Am
Samstag 10. August machten sich 450’000 Leute auf den Weg nach
Iavoloha. Der 'Marsch der Freiheit' wurde zum Blutbad. Der Präsidentenhelikopter
warf Tränengasbomben auf die friedliche Menge ab, die Präsidentengarde
RESEP (ausgebildet von Nordkorea und Frankreich und 1300 Mann
stark) schoss willkürlich auf die Leute, die neben der Strasse
liegenden Reisfelder sollen vermint gewesen sein. Ratsiraka
selber gab die Kommandos und feuerte seine Truppen zum Blutbad
an. 12 Todesopfer und 213 Verletzte wurden am Tag darauf
offiziell gemeldet, die Opposition sprach von mindestens dreimal
so vielen. Am Sonntag, anlässlich einer Trauerfeier,
solidarisierte sich die bislang eher neutrale FFKM mit dem Volk.
Auch der Premierminister (Guy Razanamasy) verlangte eine
Untersuchung der Vorfälle und distanzierte sich vom
Communiqué des Präsidenten, der am Sonntag in einer
Fernsehansprache seine Garde in Schutz nahm und vor weiteren
Aktionen der Demonstranten eindringlich warnte.
Auch
in Mahajanga gab es an diesem Wochenende 20 Tote. Noch am
gleichen Tag wurde das Haus des Generalsekretärs der MMSM,
Razanabahiny Marojama, niedergebrannt.
Der
Oppositionspräsident General Jean Rakotoharison sagte in
einer Ansprache - an die Militärs gerichtet: entweder
Ratsiraka oder das Volk. Er nannte Ratsiraka einen Feind des
Volkes.
Am
16. August erklärten sich fünf der sechs Provinzen -
ausser der Provinz Antananarivo - zu föderalistischen
Staaten. 'Stammeschefs' waren am 2. August von Ratsiraka vor
laufenden Fernsehkameras empfangen worden und hatten ihm
Ehrerweisungen in der Tradition der alten Monarchie erwiesen und
gleichzeitig ein föderalistisches System verlangt. Dieses
von Ratsiraka initiierte Manöver sollte ihm ermöglichen,
die forces vives zu spalten und durch seine stärkere
Verankerung in den ruralen Gegenden doch noch an der Macht zu
bleiben. Sofort kam eine Welle von Tribalismus auf: in Tamatave
und Fénérive-Est wurden Leute aus dem Hochland (Betsileo und
Merina) angepöbelt, viele flohen aus Angst vor
Repressalien. Die FFKM schlug sich nach den Vorkommnissen vom
10. August nun eindeutig auf die Seite der forces vives.
Kardinal Victor Razafimahatratra appellierte an die Weisheit und
den politischen Mut Ratsiraka, sich zurückzuziehen. Der
Radiosender und das Fernsehen blieben in den Händen der
MMSM, man nannte sie fortan RTMahavola (von RTM und Iavoloha).
Die
Situation blieb auch in der zweiten Hälfte des Monats
blockiert. Der Notstand blieb weiterhin deklariert. Doch am 21.
August trafen sich Opposition und MMSM unter Vorsitz der FFKM zu
Gesprächen. Der Ratsiraka-Premierminister Guy Razanamasy
hatte am Freitag 23. August die volle Verfügungsgewalt von
Ratsiraka erhalten und am 26. August stellte er sein Kabinett
vor. Die forces vives lehnten sowohl Kabinett als auch den von
Ratsiraka eingesetzten Premierminister ab. Dieses Kabinett
Razanamasy wurde von vornherein als Totgeburt abgeschrieben. Die
Streiks gingen auch in der Woche vom 26. August weiter. Die
Funktionäre erhielten ihr Gehalt nicht wie üblich zwischen
dem 20. - 24. des Monats. Das Land trudelte weiter und tiefer in
eine ökonomische Krise, man sagte ein Negativwachstum von
25% für 1991 voraus. Produkte des täglichen Bedarfs
verteuerten sich stark, noch immer fehlte Treibstoff in
Antananarivo und in den anderen Städten. In den Quartieren
von Antananarivo herrschte grosse Unsicherheit. Alle Männer
über 18 Jahre mussten jede zweite Nacht Wache auf der Strasse
schieben. Strassenblockaden wurden errichtet, Fahrzeuge
kontrolliert. Fahrzeuge mit Waffen und Benzin wurden abgefangen,
das Gerücht ging um, dass Ratsiraka Kommadounternehmen
ausschicke, um Quartiere niederzubrennen. Besonderes Ziel: 67
ha. Viele der Bewohner von 67 ha zogen weg - aus Angst. Die
internationalen Flüge waren eingestellt, gestrandete Touristen
suchten die Botschaften und Konsulate heim.
Die
Situation blieb gespannt bis in den September hinein. Guy
Razanamasy hob die Pressezensur auf und befahl den Funktionären,
bis zum 4. September zur Arbeit zurückzukehren, andernfalls würden
sie entlassen. Niemand gehorchte. Die Spruchbänder wurden
immer frecher: 'Diamanten von Bokassa gleich Smaragde von
Ratsiraka'. Zudem wurde auf die undurchsichtige (Schmuggel-)
Beziehungen zwischen Ratsiraka und Jean-Christophe Mitterrand,
dem Sohn des französischen Präsidenten, hingewiesen.
Ende Oktober entspannte sich die Lage in der Hauptstadt, in Diégo-Suarez
jedoch kam es zu weiteren Konfrontationen, die Tote und
Verletzte forderten. Gleichzeitig gab der
Ratsiraka-Finanzminister bekannt, dass der Staat bankrott sei
und die Saläre für Oktober nicht mehr bezahlt werden könnten.
Erstmals fand sich wieder Treibstoff an den Tankstellen von
Antananarivo.
Nach
172 Tagen fielen die Mauern von Jericho: am 29. Oktober wurde
ein 'état provisoire de transition pour la troisième république'
zwischen dem Premierminister Guy Razanamasy und dem Gouvernement
von Albert Zafy (der zu der Zeit in Europa weilte) vereinbart
und am 31. Oktober unterzeichnet. Dies wurde von den Zeitungen
als 'coup d'état civil' (MIDI) und als 'marriage de raison'
(TRIBUNE) bezeichnet. Damit war der Weg zur Dritten Republik
freigelegt. Die FFKM wurde mit der Organisation einer
Nationalkonferenz beauftragt, die eine neue Verfassung
ausarbeiten und baldmöglichst dem Volk zur Gutheissung
vorlegen sollte.
Doch
Albert Zafy, aus Europa zurück, lehnte dieses Abkommen ab.
Neuverhandlungen brachten dann aber doch einen modus vivendi,
wobei die forces vives Rasalama 60% der Posten zugesprochen
erhielten. Ab November flauten die Streiks allmählich ab,
und ein normales Leben wurde wieder möglich. Doch
Madagaskar hatte diese Turbulenzen teuer zu bezahlen. Die Ökonomie
war am Rande des Ruins, eine grosse Trockenheit suchte den Süden
heim, ausländische Investoren, die wenigen, hatten ihr
Vertrauen verloren. Touristen kamen keine mehr.
Doch
als Zeichen eines Neubeginns wurde der von Wasserhyazinthen
vollkommen zugewachsene Lac Anosy gereinigt und etliche der in
lamentablem Zustand befindlichen Strassen der Stadt Antananarivo
ausgebessert.
In
den ersten Monaten des Jahres 1992 wurde eine neue Verfassung
ausgearbeitet. Dabei wirkte auch der Schweizer Professor Auer
mit.
Die
Zusammenarbeit zwischen den Instanzen gestaltete sich schwierig:
HAE (Haute Autorité de l'état) unter Albert Zafy, Commission
de redressement économique (CRES) unter Richard Andriamanjato
und Manandafy, présidence de la république unter Ratsiraka und
Premierminister Guy Razanamasy. Doch Guy Razanamasy vollbrachte,
was Monate vorher niemand gedacht hätte: die Koalition
hielt irgendwie dicht.
Im
Nachhinein beanspruchten mehrere in Frankreich wohnende
Madagassen eine Vermittlerrolle in den Ereignissen jener Zeit.
Diese eher peinlichen Verlautbarungen dürfen nicht darüber
hinwegtäuschen, dass einzig 'das Volk' diese Bewegung
getragen hat: tausende von Demonstranten kamen täglich -
oft stundenlang und kilometerweit zu Fuss (Busse fuhren nicht
mehr: Streik und Treibstoffmangel) - auf den Platz des 13. Mai,
sassen geduldig in praller Hitze und hörten sich die
ellenlangen Reden an, harrten trotz der Angst vor militärischer
Intervention aus und gingen gegen Nachmittag wieder nach Hause -
um am nächsten Tag wiederzukommen, in Ruhe und Frieden,
ohne Gewalt und Waffen. Es war eine friedliche Demonstration, in
denen auch fremde Besucher (ausser bei seltenen Gelegenheiten)
nie gefährdet waren. Die Zwischenfälle und Toten sind
tragisch, aber nicht repräsentativ für diese Revolution,
die durch Sitzen und Reden gewonnen wurde. Die Rolle der Aussenmächte
blieb beschränkt: Frankreich sandte zwar Emissäre,
welche es nicht schafften, die Situation zu deblockieren.
Interessant sind die offiziellen Reaktionen nach der Metzelei
vom 10. August: Funkstille aus dem offiziellen Paris, einzig die
französischen Sozialisten 'bedauerten den Einsatz von
Gewalt'. Präsident Abdou Diouf aus Senegal sprach die
Hoffnung aus, dass Ratsiraka 'bald Lösungen finden werde,
die das Land aus der aktuellen Blockade führen können'.
Von den industrialisierten Staaten wagte sich seltsamerweise
einzig die neutrale Schweiz ins grelle Rampenlicht der
diplomatischen Kommentare, sie 'zeigte sich beunruhigt ob der
Evolution der Krise in Madagaskar'.
Die
ersten Monate des Jahres 1992 waren mehrheitlich ruhig, obwohl
es zu gelegentlichen Zusammenstössen in Diégo-Suarez und
Fianarantsoa kam, ebenso wie Attentatsversuche auf Vertreter der
forces vives. Am 20. März wurde dann endlich das forum
national eröffnet: 1400 Teilnehmer aus allen Landesteilen
berieten über die Zukunft Madagaskars und über die neue
Verfassung. Dank dieser Arbeiten konnte am 19. August 1992 in
einem Referendum über die neue Verfassung abgestimmt: sie wurde
zu über 75% angenommen. Sogar Ratsiraka ging zur Stimmabgabe
und legitimierte dadurch diesen demokratischen Vorgang. Die
internationalen Wahlbeobachter stellten keine gravierenden
Verletzungen des Wahlvorgangs fest, obwohl es an einigen Orten
zu Zwischenfällen gekommen war wie etwa dem Verbrennen der
Wahlurnen.
Als
nächste Etappe wurden die Präsidentenwahlen auf den
25. November festgelegt. Nach langem Zögern und
Unsicherheit stellten sich 8 Kandidaten: ein Programm oder
zumindest ein Konzept hatte keiner. Unter den Kandidaten fand
sich auch Ratsiraka, der nach zähem Tauziehen doch noch zur
Wahl zugelassen wurde. Unterstützt von der MMSM und in grossen
Zeitungsinseraten von (Soja Jean André) Kaleta, einem
Unternehmer, der durch seine Beziehungen mit dem Ratsirakaclan
reich geworden war. Der treue Gefolgsmann José Andrianoelison
(vormals Landwirtschaftsminister) präsentierte Ratsiraka
als 'den neuen Mann'. Über 6 Millionen Wähler (ab 18
Jahren) wurden an die Urne gerufen, wovon 2,5 Mio. (43% der Wähler)
zwischen 18 und 30 Jahren waren, also mehr als die Hälfte
ihres Lebens unter der Zweiten Republik verbracht hatten.
Gleichzeitig
waren in den Provinzen, insbesonders in Tamatave, Diégo-Suarez
und Tulear, die Föderalisten aktiv. Etliche Merina flohen
aus Angst vor Repressalien. Extreme Kreise aus Tamatave
sprengten am 25. Oktober eine Eisenbahnbrücke in Ankotrokotroka
(bei Moramanga) und verursachten so eine wochenlange
Treibstoffknappheit in der Hauptstadt, die von den Taxifahrern
sofort zu massiven Preiserhöhungen genutzt wurde, ebenso
wie eine generelle Preiserhöhung stattfand.
Die
Wahlen vom 25. November 1992 gingen ohne Eskalation über die Bühne.
Unter den acht Kandidaten gab es lediglich zwei Sieger: Albert
Zafy holte 45,16% der Stimmen und Didier Ratsiraka sammelte
29,22%. Der grosse Verlierer war Manandafy Rakotonirina mit
lediglich 10,21%. Alle weiteren Kandidaten lagen weitab unter
5%. (Marson Evariste 4,60%; Ruffine Soamandina Tsiranana 3,51%;
Jacques Rabemananjara 2,87%; Nirina Andriamanalina 2,25% und
Rabetsitinta Tovonanahary 2,29%.) Von den 6,13 Mio Wählern
waren 4,53 Mio in 14131 Wahlbüros an die Urne gegangen, 0,44
Mio der Stimmen wurden leer abgegeben oder vom H.C.C. als ungültig
erklärt. Albert Zafy lag in allen Provinzen deutlich vor
Ratsiraka, ausser in Tamatave, wo Ratsiraka fast die Hälfte
aller Stimmen vereinte. (Übrigens blieb die genaue Zahl der
Wahlberechtigten ein Streitpunkt: der H.C.C. gab die Zahl von
6'130'016 an.)
Die
Auszählung der Stimmen dauerte Tage und Wochen. Doch die
Prozentzahl für Zafy vermochte nicht, über die Marke von 50%
zu klettern. So entschied der H.C.C. knapp vor Weihnachten, nach
Tagen der Spannungen, dass es eine zweite Tour mit einer
Stichwahl zwischen Ratsiraka und Zafy geben würde. Diese Wahl
fand am 10. Februar statt und Albert Zafy gewann zweidrittel
(66,62%) der Stimmen. Einzig in der Provinz Tamatave siegte
Ratsiraka mit 52% der Stimmen. Von den rund 6,2 Mio.
Stimmberechtigten waren 4,3 Mio zur Urne gegangen.
So
wurde am 27. März 1993 der Katholik Albert Zafy als neuer
Präsident der Republik Madagaskar eingeschworen. Ratsiraka
nahm daran nicht teil. Der Medizinprofessor trug an diesem Tag
nicht wie üblich seinen gelben Strohhut, wurde aber vom Volk
sowohl im offiziellen Teil der Feier im Stadium von Mahamasina
begeistert gefeiert, ebenso wie bei seinem anschliessenden
Besuch auf dem Place 13. Mai, wo das Volk ein Volksfest feierte.
Noch in seiner Antrittsrede kündete er die Freilassung der wohl
über 100 politischen Gefangenen an. Obwohl die Feier verregnet
war und sich das abendliche Feuerwerk über dem Lac Anosy nicht
so recht entzünden wollte, feierten die Leute den Eintritt in
die Dritte Republik.
Die
Dritte Republik scheiterte ebenso wie die zwei vorherigen.
Albert Zafy, durch die Massendemonstationen von 1991 an die
Spitze geschwemmt, erwies sich als unfähiger als Ratsiraka.
Seine Regierung und sein persönliches Umfeld profitierten
hemmungslos von ihren Positionen. Dem Volk, das durch 7 Monate
Streik (in städtischen Gebieten jedenfalls) und unter hohem
Einsatz endlich geschafft hatte, Ratsiraka wegzukriegen, brachte
die Zafy-Clique nichts. Alles weitere geschah dann mit logischer
Konsequenz: Ratsiraka kam 1994 wieder an die Macht und die
Mehrheit des Volkes atmete auf. Auch weil der Mann, der
Madagaskar in den 70er Jahren in den Ruin geführt hatte,
offenbar inzwischen etwas gelernt hatte. Zwar nahmen Korruption
zu, ebenso Günstlingswirtschaft bis hin zu dubiosen
Staatsverordnungen. So mussten beispielsweise alle ausländische
Bewohner Madagaskars eine Art Personalausweis haben, also teuer
bezahlen – weil die Tochter Ratsirakas eine
Personalausweisdruckmaschine besass.
Der
Ökonomie des Landes ging es jedoch letztendlich besser.
Invesoren kamen ins Land, so unter anderem auch Textilbetriebe,
die zehntausende von Arbeitskräften schafften. Die im
Dezember 2001 abgehaltenen Präsidentschaftswahlen gingen
unklar aus. Wieviel Wahlbetrug mit im Spiel war, bleibt abzuklären.
Jedenfalls behaupteten beide Kandidaten, Ratsiraka und
Rakotomanana, gewonnen zu haben. Das Land wurde ein halbes Jahr
lahmgelegt, bis Ratsiraka quasi floh. Ein zweites Mal. Ob und
wie der neue Präsident, Marc Rakotomanana, das Land endlich
aus der Krise führen kann und wird, bleibt abzuwarten.
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