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PRIORI, das Reisebüro für und in Madagaskar

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Madagaskar, das PRIORI-Buch

Franz Stadelmann

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Madagaskar: Symbiose zwischen Gestern und Heute

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Wirtschaft

Obwohl Madagaskar über eine reiche Ausstattung an wirtschaftlichem Potential verfügt, ist die Bevölkerung ärmer denn je. Die Wirtschaftspolitik der Zweiten Republik hatte keinen Erfolg. Das Volk verarmte, tragfähige Produktionsbetriebe entstanden kaum, der alles kontrollierende Staat verlor die Übersicht, Kontrollmechanismen versagten. In den 1980er Jahren hatte fast jeder genug damit zu tun, sein eigenes Überleben zu sichern - irgendwie. Ein populäres Lied brachte Ende der 1980er Jahre die neue Geschäftsphilosophie der Madagassen auf den Nenner: Samy mandeha. Samy mitady. (Jeder geht, jeder sucht.) Dieser Spruch entsprach nicht mehr der traditionellen Sitte 'alle für einen, einer für alle' und wurde gar vom damaligen Premierminister Victor Ramahatra in einer seiner Ansprachen verwendet und als Freibillett für ein ungehemmtes Wirtschaftsgebaren interpretiert. Tatsächlich führten sich ein paar Wirtschaftsbosse in einer Art und Weise auf, die alle Mittel einschloss, um zum Ziel zu kommen: Bestechung, Betrug und Ausbeutung nicht ausgeschlossen. Wer sich dabei auf die Protektion der Clique um den Präsidenten Ratsiraka verlassen konnte, dem waren keine Türen verschlossen. Das war unter der kurzlebigen Dritten Republik unter Alber Zafy nicht anders und gilt im wesentlichen bis heute.

Schon vor 100 Jahren sagte der Forschungsreisende Grandidier, dass sich in Madagaskar alles wie frische Brötchen kaufe und verkaufe, ob Schutzbriefe oder Durchgangsgenehmigungen.

So fanden - und finden sich noch heute - lukrative Bereiche, so etwa der Vanillehandel oder der Verkauf von Edelsteinen, oft sehr am Rand der Illegalität, zuweilen mittendrin. Die Affäre um das Verschwinden des Schiffes Gasikara im Januar 1991 (beladen mit Schmuggelgut?) ist nur eines der vielen Beispiele für diese höchst dubiosen Machenschaften.

Protektion, Bestechung und Mangel an Transparenz waren die Kennzeichen des Wirtschaftsgebarens in Madagaskar während der Zweiten Republik.

Ady gasy, die madagassische Art mit Problemen und Situationen umzugehen, stellt nicht nur Ausländer und Investoren vor Rätsel, sondern stösst intern ebenso oft auf Unverständnis und Resignation.

Unter diesen Machenschaften leiden nicht nur ehrliche und aufrichtige Leute, die es erstaunlicherweise noch immer in grosser Vielzahl gibt, sondern ganz generell der gesamte Wirtschaftssektor. Zwischen 1980 - 1988 nahm das BSP jährlich um 3,4% ab. Die Wachstumsrate der Wirtschaft lag vor 1980 um die 1,8% und sank danach deutlich unter 1% ab.

Madagaskar ist in erster Linie ein Agrarland. Der primäre Sektor dominiert die Gesamtwirtschaft, entzieht sich ihr aber auch durch einen hohen Anteil an reiner Subsistenzwirtschaft. Mitte 1980 wurde geschätzt, dass 65% der Bevölkerung subsistenzwirtschaftlich leben. 87% der aktiven Bevölkerung arbeitet in der Landwirtschaft und erwirtschaftete 1988 (einschliesslich Forst und Fischerei) 41% des Bruttoinlandprodukts. Die - oft nur kleinflächigen - landwirtschaftlichen Familienbetriebe müssen auch arbeitslose und unterbeschäftigte Familienmitglieder mittragen. So dient die Landwirtschaft als Sammelbecken für einen wesentlichen Teil der Bevölkerung, die sich anderswo nicht produktiv betätigen kann. Die landwirtschaftliche Produktion wuchs 1980 - 1988 um 2,2%, während die Bevölkerung in dieser Zeit um 2,6% zunahm.

Der sekundäre Sektor leistet mit 16% bloss einen schwachen Anteil am BIP und beschäftigt nur 4% der aktiven Bevölkerung. Die Industrieunternehmen sind fast ausschliesslich in der Verarbeitung von Landwirtschaftsprodukten tätig, wobei Baumwolle und Zucker die wichtigste Rolle einnehmen.

Wie oft in den Ländern des Südens ist der tertiäre Sektor mit 38% übermässig aufgeblasen und bietet Jobs für 9% der aktiven Bevölkerung: der grösste Arbeitgeber ist der öffentliche Bereich, gefolgt von Handel aller Art. Viele im Dienstleistungssektor Beschäftigte betätigen sich im informellen Bereich, der ihnen keine Zukunftsperspektiven eröffnet und nur gerade das knappe tägliche Überleben ermöglicht. Zudem ist das Problem der Unterbeschäftigung gross.

Madagaskar gehört mit dem niedrigen Prokopfeinkommen zu den ärmsten Ländern und wurde im Weltbankbericht von 1989 unter den 12 ärmsten Länder der Welt aufgelistet. Seit 1965 sank das jährliche Prokopfeinkommen durchschnittlich um 1,8% pro Jahr. 1987 betrug das jährliche Einkommen 225 US-$ pro Kopf und dies hat sich in den späteren Jahren noch verschlechtert: 1989 waren es 190 US-$. Das ohnehin knappe Familienbudget wurde durch Inflation von 10 bis 20% pro Jahr und Abwertung noch weiter strapaziert und musste eine Teuerungsrate von 20% pro Jahr in Kauf nehmen.

Die Exporte bestehen zu rund 70% - 80% aus Agrarprodukten, wobei sich Madagaskar traditionellerweise auf nur drei Produkte stützte. Doch die Weltmarktpreise für Kaffee sind drastisch gesunken, der bislang grösste Nelkenkunde (Indonesien) begann selber mit dem Anbau von Nelken und für Vanille wurde ein künstliches Ersatzprodukt entwickelt. Eine eigentliche Agroindustrie für die Veredelung von Exportprodukten existiert in Madagaskar kaum. Die Produkte werden mit einfachen Mitteln handwerklich transferiert (trocknen von Nelken und Pfeffer), also kaum valorisiert. Dadurch ist Madagaskar zur Rolle eines einfachen Rohmaterialienlieferanten verurteilt.

Die Importe drücken schwer auf der Aussenhandelsbilanz des hochverschuldeten Landes.

Zur wirtschaftlichen Gesundung fehlt fast alles: Dünger und Saatgut, Ersatzteile und Rohstoffe, Infrastruktur und Kommunikation, gesetzlicher Rahmen und effiziente Verwaltung, vor allem aber auch Kapital und Investitionen.

Dabei jedoch steht ein Faktor zur Genüge zur Verfügung: Arbeitskräfte. Und zwar nicht nur ungelernte Zuwanderer aus ländlichen Gebieten, sondern auch gelernte Fachkräfte und qualifizierte Kader. Und vor allem stehen auch junge Leute bereit, die sich nichts dringlicheres wünschen, als irgendwo eine Chance zu erhalten, um sich zu bestätigen.

1993 waren total 222’479 Unternehmen aller Art registriert. Diese hohe Zahl darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich dabei zumeist um kleine Familienunternehmen handelt, beispielsweise Epicerien, die nur einen geringen Umsatz erzielen und kaum Arbeitsstellen bieten. 20’8301 dieser Unternehmen waren unter madagassischer Leitung, 2642 unter indo-pakistanischer Führung und 2044 wurden von Chinesen geleitet. 5308 befanden sich unter französischem Management.

Der Ende der 1990er Jahre einsetzende Aufschwung, so gering er gewesen sein mag, wurde aber in der ersten Hälfte des Jahres 2002 brüsk abgebremst. Die beiden Präsidentschaftskandidaten stritten sich um die Gewinnanteile. Dadurch wurde die Ökonomie des Landes um Jahre zurückgeworfen. Zahlreiche Unternehmen stellten ihren Bertieb ein oder wanderten in andere Länder ab, so insbesonders die Textilfabriken. Der Tourismus sank im ersten halben Jahr 2002 auf quasi Null – auch weil der Jumbojet der Air Madagascar in Paris von der Leasingcompany konfiziert wurde und Air France die Direktflüge eingestellt hatte.

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Der Ethnologe Franz Stadelmann kam 1988 als Entwicklungshelfer nach Madagaskar. 1994 gründete er das madagassische Reisebüro PRIORI in Antananarivo. PRIORI organisiert Reisen mit mehr Hintergrund und tieferen Einblicken in die Licht und Schatten dieser Insel im Indischen Ozean. 'Sanftes Reisen' soll den BesucherInnen als auch den Besuchten gegenseitiges Verständnis erwecken. PRIORI engagiert sich auch sehr im sozialen und kulturellen Leben Madagaskars. PRIORI steht für Ihre Reisepläne gern zur Verfügung - auch in deutscher Sprache.

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Wir nehmen Ihre Kommentare und weiterführenden Texte zu obigem Thema gern auf. Tragen Sie sich bitte in unser Gästebuch ein.
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Franz Stadelmann

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PRIORI Antananarivo

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